Rechtsprechungsänderung: Auf die Frist für AGG-Klagen ist § 167 ZPO anwendbar
BAG 22.5.2014, 8 AZR 662/13Die Klägerin ist ausgebildete Fachangestellte für Bäderbetriebe. Wegen einer Erkrankung an multipler Sklerose (MS) ist sie mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert.
Die Beklagte betreibt Hallenbäder und Freibäder. Auf eine Bewerbung der Klägerin stellte die Beklagte ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht. Nachdem die Klägerin allerdings anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes auf ihre Behinderung hingewiesen hatte, zog die Beklagte das Vertragsangebot zurück. Dies begründete sie damit, dass die Klägerin die Tätigkeit wegen ihrer Behinderung nicht ausüben könne.
Die Klägerin sah in der Absage eine Diskriminierung wegen ihrer Behinderung und klagte ohne vorherige außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG.
Die Klage ging zwar innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG beim Arbeitsgericht ein, wurde der Beklagten aber erst neun Tage später und damit einen Tag nach Fristablauf zugestellt. Das LAG wies die Klage aus diesem Grund - anders als das Arbeitsgericht - ab. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hob das BAG die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Die Gründe:
Die Klage ist zulässig. Die nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG erforderliche Schriftform zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen (§ 15 Abs. 1 und 2 AGG) kann auch durch eine Klage gewahrt werden. Dabei findet § 167 ZPO Anwendung. Es genügt also der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage "demnächst" zugestellt wird.
Der Senat hält an seiner früher als obiter dictum geäußerten gegenteiligen Auffassung (BAG, Urt. v. 21.6.2012 - 8 AZR 188/11 - Rz. 27) nicht mehr fest. Er folgt insoweit einer geänderten Rechtsprechung des BGH, wonach § 167 ZPO grds. auch anwendbar ist, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnte. Nur in Sonderfällen kommt die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung (BGH, Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 109/05).
Eine solche Ausnahme ist im Fall des § 15 Abs. 4 AGG nicht gegeben.
Da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.
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Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.