24.01.2020

Schwerbehinderte Bewerber - Unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch begründet nicht immer einen Entschädigungsanspruch

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem erfolglosen Bewerber allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist allerdings lediglich ein Indiz i.S.v. § 22 AGG, das die Vermutung begründet, dass der Bewerber wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen.

BAG v. 23.1.2020 - 8 AZR 484/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Die Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen. Der Kläger wurde, obwohl er fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage vom beklagten Land eine Entschädigung i.H.v. rd. 7.400 €. Das beklagte Land hat demgegenüber geltend gemacht, die Bewerbung des Klägers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Schon aus diesem Grund sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden.

Das ArbG wies die Klage ab; das LAG gab ihr teilweise statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. rd. 3.700 € zu. Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe.

Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
BAG PM Nr. 5 vom 23.1.2020
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