26.04.2019

Sic-non-Fall: Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bei Entschädigungsklagen nach § 15 AGG

Bei einer Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG genügt die Rechtsbehauptung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht, um den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen. Es handelt sich um einen sog. Sic-non-Fall.

LAG Nürnberg v. 28.12.2018 - 2 Ta 142/18
Der Sachverhalt:
Zwischen der Klägerin und einer GmbH besteht ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war zugleich Patientin der GmbH. Die GmbH ist eine unmittelbare Tochtergesellschaft des Beklagten.

Die Klägerin nahm ihre Patientenakte aus dem Sprechzimmer der GmbH mit zu sich nach Hause, woraufhin die GmbH die Klägerin zu Rückgabe der Patientenakte aufforderte. Die Klägerin kam dem einige Tage später nach, forderte jedoch einige Zeit später die Herausgabe der Patientenakte und machte einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend.

Das Arbeitsgericht verwies das Verfahren an das LG Weiden, da der Beklagte nicht Arbeitgeber der Klägerin sei. Das LAG gab der sofortigen Beschwerde der Klägerin teilweise recht.

Die Gründe:
Für den Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, hinsichtlich der Herausgabe der Patientenakte hingegen nicht.

Kann der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 AGG kann nur arbeitsrechtlich begründet werden - nämlich wenn es sich bei dem Beklagten um einen Arbeitgeber i.S.d. §§ 15 Abs. 2, 6 Abs. 2 AGG handelt - liegt insofern ein Sic-non-Fall vor. Dies ist der Fall, wenn der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, deren Prüfung gem. § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fällt. Dann sind die Arbeitsgerichte schon zuständig, wenn die Klagepartei schlüssig Tatsachen vorträgt, aus denen sich ihre Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. § 5 ArbGG ergibt. Ausnahmsweise reicht sogar - wie im vorliegenden Fall - die bloße Rechtsbehauptung der Arbeitnehmereigenschaft aus.

Für den Anspruch auf Herausgabe der Patientenakte ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hingegen nicht eröffnet. Es kommen konkurrierende Anspruchsgrundlagen in Betracht, nämlich sowohl der Behandlungsvertrag als auch der Arbeitsvertrag. Damit liegt ein sog. Et-et-Fall vor. In diesem Fall, wenn also für den geltend gemachten Anspruch sowohl arbeitsrechtliche als auch andere Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, die sich konkurrieren, ist jedenfalls ein schlüssiger Tatsachenvortrag notwendig, um den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen. Die Klägerin hat ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten jedoch nicht schlüssig behauptet. Sie trägt lediglich vor, dass der Beklagte sich als Arbeitgeber ausgebe und einen entsprechenden Rechtsschein geschaffen habe. Dies führt jedoch nicht zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten folgt insoweit für den Herausgabeanspruch auch nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG. Abs. 3 findet keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit für die Zusammenhangsklage allein aus der Verbindung mit einem Sic-non-Antrag folgen kann. Ein solcher Fall liegt hier jedoch vor.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des Bundeslandes Bayern veröffentlichten Volltext des Beschlusses klicken Sie bitte hier.

 

LAG Nürnberg Beschluss vom 28.12.2018
Zurück