Stellenbewerber müssen keine Auskunft über eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren erteilen
BAG 15.11.2012, 6 AZR 339/11Der Kläger hatte sich im Sommer 2009 bei dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen als sog. Seiteneinsteiger als Lehrer an einer Hauptschule beworben. Vor seiner Einstellung war er aufgefordert worden, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft ist, und zu versichern, dass
- gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig ist oder
- innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen ist.
Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen, und wurde zum 15.9.2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die Bezirksregierung einen anonymen Hinweis auf strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger. Die daraufhin von der Staatsanwaltschaft angeforderte Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus.
Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis noch innerhalb der Wartezeit außerordentlich und hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. An die charakterliche Eignung eines Lehrers seien hohe Anforderungen zu stellen, weshalb ein umfassendes Fragerecht des öffentlichen Arbeitgebers bestehe. Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und machte geltend, dass er bereits eingestellte Ermittlungsverfahren nicht habe angeben müssen. Seine Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Die Gründe:
Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam gekündigt.
Arbeitgeber dürfen einen Stellenbewerber grds. nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine derart unspezifizierte Frage verstößt gegen die in Nordrhein-Westfalen geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Diese erlauben nur solche Datenerhebungen, die durch eine Rechtsvorschrift erlaubt sind oder in die der Betroffene einwilligt. Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer aber nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet.
Daneben verstieß die Frage auch gegen die Wertentscheidungen des § 53 BZRG.
Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war daher gem. § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
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