09.04.2014

Streikbegleitende Flashmob-Aktionen der Gewerkschaften sind zulässig

Gewerkschaftlich organisierte Flashmob-Aktionen im Einzelhandel verletzen nicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber. Der Schutz der Koalitionsfreiheit ist nicht auf traditionelle Formen des Arbeitskampfes wie Streiks oder Aussperrungen beschränkt, sondern umfasst grds. alle als geeignet angesehenen Mittel. Flashmob-Aktionen führen insoweit nicht zu einem Übergewicht der Gewerkschaften, da sich Arbeitgeber z.B. mit vorübergehenden Betriebsstilllegungen zur Wehr setzen können.

BVerfG 26.3.2014, 1 BvR 3185/09
Der Sachverhalt:
Während eines Streiks im Einzelhandel im Jahr 2007 hatte die Gewerkschaft ver.di Interessierte für eine Flashmob-Aktion geworben. Man wolle gemeinsam "in einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen gehen", "z.B. so: viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren damit für längere Zeit den Kassenbereich. Viele Menschen packen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (bitte keine Frischware!!!) und lassen sie dann stehen."

Per SMS rief ver.di kurze Zeit später alle Interessierten zu einem Flashmob in einer Berliner Supermarktfiliale auf. Es beteiligten sich etwa 40 bis 50 Personen; die Aktion dauerte zwischen 45 und 60 Minuten.

Der klagende Arbeitgeberverband (Handelsverband Berlin-Brandenburg) wollte festgestellt wissen, dass die Gewerkschaft solche Flashmob-Aktionen unterlassen muss. Hiermit hatte er sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG und dem BAG (Urt. v. 22.9.2009 - 1 AZR 972/08) keinen Erfolg. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen nicht die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers. Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht auf Streiks und Aussperrungen als traditionell anerkannte Formen des Arbeitskampfes beschränkt. Zulässig sind vielmehr grds. alle als geeignet angesehenen Arbeitskampfmittel. Dabei ist lediglich der Grundsatz der Proportionalität bzw. der Verhältnismäßigkeit zu wahren, d.h. dass durch den Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen kein einseitiges Übergewicht bei Tarifverhandlungen entstehen soll.

Flashmob-Aktionen führen grds. nicht zu einem solchen einseitigen Übergewicht der Gewerkschaften. Das gilt jedenfalls dann, wenn die vom BAG gezogenen Grenzen beachtet werden und die Flashmob-Aktionen insbesondere als gewerkschaftlich getragene Arbeitskampfmaßnahme erkennbar sind; dies ist auch für Schadensersatzforderungen der Arbeitgeber bei rechtswidrigen Aktionen von Bedeutung.

Nach Einschätzung des BAG stehen den Arbeitgebern auch wirksame Gegenmaßnahmen zur Verfügung, insbesondere in Form des Hausrechts und der vorübergehenden Betriebsstilllegung. Es nicht Aufgabe des BVerfG, eine eigene Einschätzung zur praktischen Wirksamkeit von Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite an die Stelle derjenigen der Fachgerichte zu setzen, solange diese nicht einer deutlichen Fehleinschätzung folgen. Eine solche ist hier nicht erkennbar.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichten Beschluss im Volltext klicken Sie bitte hier.

BVerfG PM Nr. 34/2014 vom 9.4.2014
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