Tarifvertragliche Ausschlussfrist: Urlaubsabgeltung vor EuGH-Entscheidung
BAG v. 31.1.2023 - 9 AZR 244/20
Der Sachverhalt:
Der beklagte Zeitungsverlag beschäftigte den Kläger seit April 2007 zunächst auf der Grundlage eines sog. Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Online-Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen.
Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 1.4.2007 bis zum 30.6.2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.9.2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung i.H.v. rd. 14.400 € brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt.
ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob das BAG das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LAG zurück.
Die Gründe:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran hält der Senat fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9.2014 nicht gehalten, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber i.S.d. Ausschlussfristenregelung geltend zu machen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, oblag es dem Kläger, Urlaubsabgeltung zu verlangen.
Der von dem Kläger erhobene Abgeltungsanspruch ist vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar steht der Anwendung der Verjährungsvorschriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom Senat mit Urteil vom heutigen Tage (BAG v. 31.1.2023 - 9 AZR 456/20) entwickelten Grundsätzen lief die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger wahrte die gesetzliche Verjährungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm.
Nach den vom LAG getroffenen Feststellungen konnte das BAG jedoch nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte Urlaubsabgeltung schuldet. Das LAG wird nach der Zurückverweisung aufzuklären haben, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für die Beklagte wahrnahm, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Urlaubsgrüße aus Luxemburg
Ralf Steffan, ArbRB 2022, 381
Rechtsprechung:
Urlaubsanspruch verfällt nicht automatisch
EuGH vom 06.11.2018 - C-684/16
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BAG PM Nr. 6 vom 31.1.2023
Der beklagte Zeitungsverlag beschäftigte den Kläger seit April 2007 zunächst auf der Grundlage eines sog. Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Online-Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen.
Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 1.4.2007 bis zum 30.6.2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.9.2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung i.H.v. rd. 14.400 € brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt.
ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob das BAG das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LAG zurück.
Die Gründe:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran hält der Senat fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9.2014 nicht gehalten, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber i.S.d. Ausschlussfristenregelung geltend zu machen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, oblag es dem Kläger, Urlaubsabgeltung zu verlangen.
Der von dem Kläger erhobene Abgeltungsanspruch ist vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar steht der Anwendung der Verjährungsvorschriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom Senat mit Urteil vom heutigen Tage (BAG v. 31.1.2023 - 9 AZR 456/20) entwickelten Grundsätzen lief die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger wahrte die gesetzliche Verjährungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm.
Nach den vom LAG getroffenen Feststellungen konnte das BAG jedoch nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte Urlaubsabgeltung schuldet. Das LAG wird nach der Zurückverweisung aufzuklären haben, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für die Beklagte wahrnahm, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war.
Aufsatz:
Urlaubsgrüße aus Luxemburg
Ralf Steffan, ArbRB 2022, 381
Rechtsprechung:
Urlaubsanspruch verfällt nicht automatisch
EuGH vom 06.11.2018 - C-684/16
Abrufbar auch im Aktionsmodul Arbeitsrecht:
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