07.03.2023

Unfallversicherungsschutz beim "Luftschnappen" im Pausenbereich

Unfallversicherungsschutz besteht auch, wenn ein Arbeitnehmer beim "Luftschnappen" in einem ausgewiesenen Pausenbereich von einem Gabelstapler angefahren wird.

LSG Baden-Württemberg v. 27.2.2023 - L 1 U 2032/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Verfahrens, der im Rhein-Neckar-Kreis wohnt, hatte sich, als ihm keine konkrete Arbeit zugewiesen war, erlaubterweise in einem ausgewiesenen Pausen- und Raucherbereich auf dem Betriebsgelände eines Unternehmens in Ludwigshafen aufgehalten, um Luft zu schnappen. Dabei fuhr ihn ein Gabelstapler an. Er erlitt eine Unterarmfraktur und eine Kniegelenksdistorsion. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger zur Zeit des Unfalls eine privatnützige Verrichtung ausgeführt habe.

Das SG war dem gefolgt und hatte auch keinen Versicherungsschutz wegen einer spezifischen Betriebsgefahr gesehen, weil die Gefahr in dem Pausenbereich nicht höher gewesen sei als allgemein am Wohn- und Beschäftigungsort und weil sich der Kläger dieser Gefahr freiwillig ausgesetzt habe.

Dagegen hat das LSG auf die Berufung des Klägers hin einen Arbeitsunfall festgestellt. Die Revision wurde zugelassen.

Die Gründe:
Es lag hier eine spezifische betriebliche Gefahr vor. Die erhöhte Gefährlichkeit von Gabelstaplern ggü. dem alltäglichen Straßenverkehr ist durch Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) nachgewiesen und Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften. Ein Beschäftigter darf darauf vertrauen, während einer gestatteten Pause auch in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Bereich keinen gegenüber dem allgemeinen Leben erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein.

In der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist anerkannt, dass ein Unfall nicht nur dann ein Arbeitsunfall ist, wenn er während betriebsbezogener Verrichtungen in der Arbeit geschieht, sondern auch, wenn sich in ihm eine spezifische betriebsbezogene Gefahr verwirklicht. Die Reichweite dieser Fallgruppe des Versicherungsschutzes ist aber immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Der Senat hat die Revision zum BSG zugelassen, weil in der bisherigen Rechtsprechung nicht endgültig geklärt ist, ob der Versicherungsschutz wegen einer spezifischen betriebsbezogenen Gefahr nur in unmittelbarer Nähe des konkreten Arbeitsplatzes besteht oder auch in einem weiter entfernt liegenden Pausenbereich wie hier. Die Berufsgenossenschaft kann daher entscheiden, ob sie Revision einlegt oder das Urteil ausführt.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Unfallversichert vom Bett ins Homeoffice
BSG vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R
Axel Braun, ArbRB 2022, 175

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LSG Baden-Württemberg PM vom 6.3.2023
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