09.11.2017

Ungerechtfertigte Leibesvisitation durch Polizei aufgrund beruflicher Tätigkeit ist als Arbeitsunfall einzuordnen

Ist ein Arbeitnehmer allein aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit polizeilichen Maßnahmen wie einer Leibesvisitation ausgesetzt und erleidet er dadurch einen Gesundheitsschaden, ist der Vorfall als Arbeitsunfall zu klassifizieren und daher vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz umfasst.

LSG Darmstadt 2.11.2017, AZ L 3 U 70/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin arbeitete für die Deutsche Bahn am Service-Point des Fernbahnhofs am Frankfurter Flughafen. Während ihrer Arbeit übergab ihr die Bahnsteigaufsicht einen Rucksack. Sie dokumentierte den Inhalt des Rucksacks im Beisein eines anderen Kollegen. Später stellten Bundespolizeibeamte fest, dass Geld, Schmuck und eine Festplatte aus der Fundsache fehlten. Sie nahmen daher die Klägerin mit auf das Polizeirevier. Dort musste sich die Klägerin komplett entkleiden und einer Leibesvisitation unterziehen. Durch die ungerechtfertigte Maßnahme erlitt die Klägerin eine psychische Erkrankung.

Die Unfallversicherung lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da es sich bei der polizeilichen Maßnahme um eine private Verrichtung gehandelt habe. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem LSG Erfolg.

Die Gründe:
Die Unfallversicherung hat die polizeiliche Maßnahme als Arbeitsunfall anzuerkennen, denn sowohl Auslöser als auch Ursache der polizeilichen Maßnahme der Leibesvisitation ist allein die berufliche Tätigkeit der Klägerin gewesen. Diese hat ihre berufliche Tätigkeit zudem ordnungsgemäß den dienstlichen Vorschriften entsprechend ausgeübt. Es gab keine privat veranlassten Handlungen der Klägerin, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterbrochen haben. Daher ist die berufliche Tätigkeit allein ursächlich für die polizeiliche Maßnahme gewesen.

Zudem liegt ein Gesundheitserstschaden bei der Klägerin vor. Die ungerechtfertigte Maßnahme hat bei der Klägerin unmittelbar zu Gefühlen der Hilflosigkeit und Ohnmacht geführt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich etwa, wenn ein Arbeitnehmer auf seinem Heimweg von seiner Arbeitsstätte bei einer Fahrtenkontrolle seinen Ausweis nicht zeigen möchte und es bei der polizeilichen Festnahme zu einer Verletzung kommt. In einem solchen Fall liegt - anders als im Streitfall - kein Arbeitsunfall vor.

LSG Darmstadt PM Nr. 15/17 vom 2.11.2017
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