22.02.2019

Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

Bei vielen Einzel-Pflichtverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte.

LAG Köln v. 6.9.2018 - 6 Sa 64/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der Beklagten, ein Servicedienstleistungsunternehmen, beschäftigt. Der Kläger genießt die Regelung der Vertrauensarbeitszeit, womit er keine festen Arbeitszeiten hat. Ein Meeting mit unter anderen der Teamleiterin sagte er allerdings erst eine Minute vor Beginn des Meetings krankheitsbedingt ab. Laut der Beklagten häuften sich ähnliche Vergehen, wie insbesondere das Ignorieren von Anweisungen und das Nachgehen einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. In Gesamtschau bestehe durch die einzelnen kleineren Pflichtverletzungen eine Situation, in der es ihr nicht mehr zumutbar ist, weiter mit dem Kläger zu arbeiten. Mit Klage vor dem Arbeitsgericht beantragte der Kläger insbesondere die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam sei.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das LAG folgte auf Beschwerde der Beklagten hin dieser Entscheidung.

Die Gründe:
Die Kündigung ist unwirksam. Sie ist sowohl als fristlose Kündigung mangels wichtigen Grundes als auch als ordentliche Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unverhältnismäßig.

Bei vielen Einzelverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Kommt aber dieses Signal vom Arbeitgeber nicht, kann dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden, er hätte bei dem Pflichtverstoß Nummer 1+X wissen müssen, dass nunmehr auch ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.

Gründe, die gem. §§ 9, 10 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich. Der Auflösungsantrag erfordert im Vergleich mit der gescheiterten Kündigung eine zusätzliche Begründung. Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, dass Gründe, die für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausreichen, als erheblich genug angesehen werden, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG zu rechtfertigen.

Linkhinweis:
Für den in der Datenbank des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlichten Volltext des Urteils klicken Sie bitte hier.

Justiz NRW online vom 6.9.2018
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