Urlaubslisten eines Unternehmens sind keine Geschäftsgeheimnisse
OLG Dresden v. 14.3.2023 - 4 U 1377/22
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH begehrt Unterlassung der Verwendung von Daten aus ihrer Lohnbuchhaltung sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über den Besitz sowie Herausgabe von weiteren Unterlagen mit vertraulichen Informationen aus ihrem Unternehmen.
In einem zwischen den Parteien vor dem LG Zwickau anhängigen Verfahren hat der Beklagte (eine Gewerkschaft) mit Schriftsatz vom 19.5.2020 zu Beweiszwecken zwei E-Mails der Klägerin vorgelegt, die deren Mitarbeiterin L an den Steuerberater der Klägerin gesandt hatte und aus denen sich urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten des Geschäftsführers der Klägerin sowie weiterer Mitarbeiter ergeben. Frau L ist zwischenzeitlich bei der Klägerin ausgeschieden und derzeit Vereinsmitglied bei dem Beklagten. Auch der Vorsitzende des Beklagten - Herr L - ist ehemaliger Arbeitnehmer der Klägerin.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen dieser E-Mails auf Unterlassung und Herausgabe in Anspruch und rügt Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG).
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Ansprüche nach DSGVO hat das LG im Ergebnis zutreffend verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO können sich juristische Personen wie die Klägerin nicht auf die in der DSGVO enthaltenen Ansprüche berufen. Vielmehr betrifft der Schutz der dort genannten "personenbezogenen Daten" nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder
identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Demzufolge stehen einer juristischen Person, hier der Klägerin, datenschutzrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen der Verwendung von Daten aus Personalakten ihrer Mitarbeiter nicht zu. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf das BDSG stützen. Eine Anspruchsgrundlage folgt insofern auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften des BDSG.
Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Herausgabe folgen insbesondere auch nicht aus §§ 6, 7, 8 GeschGehG. Ob - wie das LG angenommen hat - eine Verbreitung im Prozess durch § 5 Nr. 2 GeschGehG gerechtfertigt wäre, kann vorliegend dahinstehen. Es liegt nämlich bereits kein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG vor. Die von der Beklagten im Parallelprozess vorgelegten E-Mails enthalten u.a. Informationen zu Urlaubs- und Krankheitstagen von verschiedenen Mitarbeitern der Klägerin. Des Weiteren wird mitgeteilt, welchen Mitarbeitern Prämien in welcher Höhe ausbezahlt worden sind, und der Stundenlohn eines Arbeitnehmers wird genannt. Hierbei handelt es sich um Informationen, die nicht allgemein bekannt sind und an deren Geheimhaltung die Klägerin schon im Hinblick auf den Schutz der persönlichen Daten ihrer Arbeitnehmer ein erhebliches Interesse hat. Einen wirtschaftlichen Wert i.S.v. § Nr. 2 Nr. 1a GeschGehG haben diese Informationen jedoch nicht.
Maßgeblich ist, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wirtschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen kann. Eine Information weist daher einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn sie über einen tatsächlichen oder künftigen Handelswert verfügt, Relevanz für die Wettbewerbsposition eines Unternehmens hat oder wenn ihr Bekanntwerden für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. Nach der von der Klägerin zitierten BAG-Rechtsprechung kann auch Lohn- und Gehaltsdaten als Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation ein solcher wirtschaftlicher Wert zukommen, weil die Geheimhaltung dieser Daten für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs insoweit von Vorteil sein kann, als die Konkurrenz mit dieser Kenntnis ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte. Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, welchen wirtschaftlichen Wert die in den streitgegenständlichen Mails enthaltenen Angaben über die abgeleisteten Urlaubszeiten von Mitarbeitern der Klägerin für Dritte haben könnten, erlauben sie doch weder einen Rückschluss auf den Personalbestand noch auf die Urlaubs- oder Gehaltsstruktur der Klägerin.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Personalarbeit 4.0: Datenschutz und Geschäftsgeheimnisschutz gehören organisatorisch zusammen!
Jonas Singraven, ArbRB Blog 2023
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Die klagende GmbH begehrt Unterlassung der Verwendung von Daten aus ihrer Lohnbuchhaltung sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über den Besitz sowie Herausgabe von weiteren Unterlagen mit vertraulichen Informationen aus ihrem Unternehmen.
In einem zwischen den Parteien vor dem LG Zwickau anhängigen Verfahren hat der Beklagte (eine Gewerkschaft) mit Schriftsatz vom 19.5.2020 zu Beweiszwecken zwei E-Mails der Klägerin vorgelegt, die deren Mitarbeiterin L an den Steuerberater der Klägerin gesandt hatte und aus denen sich urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten des Geschäftsführers der Klägerin sowie weiterer Mitarbeiter ergeben. Frau L ist zwischenzeitlich bei der Klägerin ausgeschieden und derzeit Vereinsmitglied bei dem Beklagten. Auch der Vorsitzende des Beklagten - Herr L - ist ehemaliger Arbeitnehmer der Klägerin.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen dieser E-Mails auf Unterlassung und Herausgabe in Anspruch und rügt Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG).
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Ansprüche nach DSGVO hat das LG im Ergebnis zutreffend verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO können sich juristische Personen wie die Klägerin nicht auf die in der DSGVO enthaltenen Ansprüche berufen. Vielmehr betrifft der Schutz der dort genannten "personenbezogenen Daten" nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder
identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Demzufolge stehen einer juristischen Person, hier der Klägerin, datenschutzrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen der Verwendung von Daten aus Personalakten ihrer Mitarbeiter nicht zu. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf das BDSG stützen. Eine Anspruchsgrundlage folgt insofern auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften des BDSG.
Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Herausgabe folgen insbesondere auch nicht aus §§ 6, 7, 8 GeschGehG. Ob - wie das LG angenommen hat - eine Verbreitung im Prozess durch § 5 Nr. 2 GeschGehG gerechtfertigt wäre, kann vorliegend dahinstehen. Es liegt nämlich bereits kein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG vor. Die von der Beklagten im Parallelprozess vorgelegten E-Mails enthalten u.a. Informationen zu Urlaubs- und Krankheitstagen von verschiedenen Mitarbeitern der Klägerin. Des Weiteren wird mitgeteilt, welchen Mitarbeitern Prämien in welcher Höhe ausbezahlt worden sind, und der Stundenlohn eines Arbeitnehmers wird genannt. Hierbei handelt es sich um Informationen, die nicht allgemein bekannt sind und an deren Geheimhaltung die Klägerin schon im Hinblick auf den Schutz der persönlichen Daten ihrer Arbeitnehmer ein erhebliches Interesse hat. Einen wirtschaftlichen Wert i.S.v. § Nr. 2 Nr. 1a GeschGehG haben diese Informationen jedoch nicht.
Maßgeblich ist, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wirtschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen kann. Eine Information weist daher einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn sie über einen tatsächlichen oder künftigen Handelswert verfügt, Relevanz für die Wettbewerbsposition eines Unternehmens hat oder wenn ihr Bekanntwerden für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. Nach der von der Klägerin zitierten BAG-Rechtsprechung kann auch Lohn- und Gehaltsdaten als Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation ein solcher wirtschaftlicher Wert zukommen, weil die Geheimhaltung dieser Daten für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs insoweit von Vorteil sein kann, als die Konkurrenz mit dieser Kenntnis ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte. Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, welchen wirtschaftlichen Wert die in den streitgegenständlichen Mails enthaltenen Angaben über die abgeleisteten Urlaubszeiten von Mitarbeitern der Klägerin für Dritte haben könnten, erlauben sie doch weder einen Rückschluss auf den Personalbestand noch auf die Urlaubs- oder Gehaltsstruktur der Klägerin.
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