ver.di auch für Pflege außerhalb von Krankenhäusern tariffähig
LAG Berlin-Brandenburg v. 24.6.2021 - 21 BVL 5001/21
Der Sachverhalt:
In dem antragstellenden Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) sind private Pflegeunternehmen zusammengeschlossen. Daneben bestehen weitere Arbeitgeberverbände der Pflegebranche, u.a. die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP). Die Gewerkschaft ver.di schloss am 1.2.2021 mit dem BVAP einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche ab. Angestrebt wurde eine Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages nach § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz, zu der es wegen der fehlenden Zustimmung der Caritas nicht kam.
Mit seinem noch während der Auseinandersetzungen über die mögliche Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages beim LAG eingereichten Antrag macht der AGVP eine fehlende Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di für Pflegebetriebe, die Pflegeleistungen außerhalb von Krankenhäusern erbringen, geltend. Zur Begründung führt der AGVP aus, jedenfalls wegen der heterogenen Zuständigkeit von ver.di sei für die Prüfung der Tariffähigkeit auf die einzelnen Branchen abzustellen. In der Pflegebranche verfüge ver.di nicht über die für eine Tariffähigkeit erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich hier von der Lage in Krankenhäusern. Im Laufe des Verfahrens stellte der AGVP hilfsweise die Tariffähigkeit von ver.di insgesamt infrage.
Das LAG wies die Anträge zurück. Die Rechtsbeschwerde an das BAG wurde zugelassen.
Die Gründe:
Voraussetzung für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ist, dass sie sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage ist, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Abzustellen ist auf die Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von der Arbeitnehmervereinigung beanspruchten Zuständigkeitsbereichs. Es gibt keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Vielmehr ist die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich zu beurteilen.
Es ist davon auszugehen, dass eine in erheblichen Teilen des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs durchsetzungsfähige Arbeitnehmervereinigung sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehlt, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwirft. Daher hat eine etwa fehlende Durchsetzungskraft von ver.di im Bereich der Pflegebranche für sich genommen auch nicht zur Folge, dass ver.di insgesamt tarifunfähig ist. Als Gesamtorganisation ist ver.di im Sinne der Anforderungen an die soziale Mächtigkeit offensichtlich organisations- und durchsetzungsfähig sowie in der Lage, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen.
LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 30 vom 26.8.2021
In dem antragstellenden Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) sind private Pflegeunternehmen zusammengeschlossen. Daneben bestehen weitere Arbeitgeberverbände der Pflegebranche, u.a. die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP). Die Gewerkschaft ver.di schloss am 1.2.2021 mit dem BVAP einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche ab. Angestrebt wurde eine Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages nach § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz, zu der es wegen der fehlenden Zustimmung der Caritas nicht kam.
Mit seinem noch während der Auseinandersetzungen über die mögliche Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages beim LAG eingereichten Antrag macht der AGVP eine fehlende Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di für Pflegebetriebe, die Pflegeleistungen außerhalb von Krankenhäusern erbringen, geltend. Zur Begründung führt der AGVP aus, jedenfalls wegen der heterogenen Zuständigkeit von ver.di sei für die Prüfung der Tariffähigkeit auf die einzelnen Branchen abzustellen. In der Pflegebranche verfüge ver.di nicht über die für eine Tariffähigkeit erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich hier von der Lage in Krankenhäusern. Im Laufe des Verfahrens stellte der AGVP hilfsweise die Tariffähigkeit von ver.di insgesamt infrage.
Das LAG wies die Anträge zurück. Die Rechtsbeschwerde an das BAG wurde zugelassen.
Die Gründe:
Voraussetzung für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ist, dass sie sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage ist, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Abzustellen ist auf die Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von der Arbeitnehmervereinigung beanspruchten Zuständigkeitsbereichs. Es gibt keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Vielmehr ist die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich zu beurteilen.
Es ist davon auszugehen, dass eine in erheblichen Teilen des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs durchsetzungsfähige Arbeitnehmervereinigung sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehlt, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwirft. Daher hat eine etwa fehlende Durchsetzungskraft von ver.di im Bereich der Pflegebranche für sich genommen auch nicht zur Folge, dass ver.di insgesamt tarifunfähig ist. Als Gesamtorganisation ist ver.di im Sinne der Anforderungen an die soziale Mächtigkeit offensichtlich organisations- und durchsetzungsfähig sowie in der Lage, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen.