Vereinbarung von Arbeitsentgelt bei Betriebsratstätigkeit
ArbG Hamburg v. 10.5.2022 - 3 Ca 74/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung des Klägers für seine Zeiten der Betriebsratstätigkeit. Im Streit ist hierbei insbesondere die Berechnung der Provisionen sowie der für die Ausfallzeiten zu zahlenden Durchschnittsvergütung, das sog. Schnittgeld. Dabei begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Gehaltsentwicklung von mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmern der Beklagten sowie Auskunft über seine eigene Arbeitsleistung und Vergütung im Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 1.1.2021.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Autoverkäufer beschäftigt und seit Oktober 2009 in dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat tätig. Der Kläger ist als Betriebsrat auf verschiedenen Organisationsstufen der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Manteltarifvertrag des Kraftfahrzeuggewerbes Hamburg (MTV) Anwendung. Gem. § 20 Nr. 2 S. 1 und S. 2 MTV ist einem Angestellten, der neben dem Fixum eine Provision bezieht, ein Garantieeinkommen zu zahlen, welches aktuell ca. 4.100 € brutto beträgt.
Nach § 21 Nr. 2 Abs. 2 S. 1 und S. 2 MTV besteht das Entgelt aus dem Fixum und der Provision sowie der Verkaufsprämie. Letztere werden dadurch ermittelt, dass für jeden Arbeitstag 1/250 der während der letzten 12 Monate oder des letzten Kalenderjahres gezahlten Provisionssumme und der ständigen Provision eingesetzt wird. Die Höhe des Schnittgelds hängt mithin mittelbar von der Provisionshöhe ab.
Die Frage, wie die Schnittgelder im Einzelnen zu berechnen sind, hat zu diversen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, bis hin zu einem im Jahre 2014 geführten und beendeten Rechtsstreit, geführt. Am 14.11.2014 schlossen die Parteien in diesem Rechtsstreit einen Vergleich geschlossen, in welchem sie Grundsätze der Ermittlung der Vergütung des Klägers vereinbart haben.
Der Kläger meint, der Umfang seiner Betriebsratstätigkeit müsse bei der Provisionsberechnung stärker berücksichtigt werden. Die im Vergleich vereinbarte Schnittberechnung entspreche nicht mehr den tatsächlichen Begebenheiten, in welchen der Kläger arbeite. Der Kläger behauptet, die Provisionsdifferenz beruhe auf einer unzureichenden Ausgleichsvergütung der Beklagten für seine Ausfallzeiten für Betriebsratstätigkeiten.
Das ArbG hat die Klage auf Auskunfterteilung abgewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist anhängig beim LAG Hamburg unter dem Az.: 4 Sa 41/22.
Die Gründe:
Die geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die geltend gemachten Auskunftsansprüche scheitern daran, dass die Parteien im Jahr 2014 in Bezug auf die Berechnung der Auswahlvergütung eine zulässige Einigung in Bezug auf die tatsächlichen Parameter gefunden haben. Vor dem Hintergrund dieser Einigung erübrigen sich andere Auskunftsersuchen zum Zwecke einer anderweitigen Berechnung.
Die auf Auskunft gerichteten Anträge sind unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 611a, 242 BGB i.V.m. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG.
Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage ist neben einem Auskunftsbegehren auch die Erforderlichkeit dieser Auskunft für die Erhebung eines nachgeordneten anderen Antrags (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 -Rn. 53; m.w.N.). Letztere ist hier nicht gegeben. Es fehlt an dem die Zahlungsanträge vorbereitenden Charakter. Denn die begehrten Informationen sind für die Geltendmachung der vom Kläger verfolgten Zahlungsansprüche auf einer nachgeordneten Klagestufe unerheblich.
Der Kläger stützt seine Anträge auf § 242 BGB i.V.m. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG und i.V.m. der Rechtsprechung des BAG. Diese Anspruchsgrundlage tritt hier indes zurück, weil die Parteien insoweit eine Regelung vereinbart haben, welche der allgemeinen Berechnung und der vorgelagerten Auskunft vorgeht. Denn die Parteien haben durch den Prozessvergleich vom 14.11.2014 eine zulässige Regelung vereinbart, wie die Betriebsratsvergütung im Einzelnen zu berechnen ist. Im Besonderen haben sich die Parteien hinsichtlich der Berechnung des Schnittgelds und der Provisionen geeinigt. Diese Regelung ist vorrangig und sollte der materiell abschließenden Regelung der künftigen, und damit auch der im Streit stehenden Zahlungen dienen.
Diese Berechnungsvereinbarung für das dem Kläger zustehende Schnittgeld und die Provisionen gem. Ziffer 1 lit b) des Prozessvergleichs ist auch wirksam. Voraussetzung für eine wirksame Einigung ist hierbei zunächst die Dispositionsfähigkeit der Parteien hinsichtlich der Konkretisierung der Berechnung der Vergütung für Ausfallzeiten wegen Betriebsratstätigkeiten. Die Dispositionsbefugnis besteht als objektive Voraussetzung der Einwilligung immer dann, wenn sich die Vereinbarung im Rahmen des rechtlich Zulässigen befindet. Dies ist hier der Fall. Sie verstößt weder gegen Tarifrecht noch gegen betriebsverfassungsrechtliche Besser- oder Schlechterstellungsverbote.
Für die Frage, ob die Betriebsvergütung aufgrund der Berechnung der Provisionen und des Schnittgelds zutreffend ist, ist das Lohnausfallprinzip nach § 37 Abs. 2 BetrVG maßgeblich. Entgegen der Auffassung des Klägers findet die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG insoweit keine Anwendung.
Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist wirksam, wenn sie sich - wie hier - innerhalb eines tatsächlichen Korridors hypothetischer Betrachtung bewegt.
Der Kläger hat auch keinen Auskunftsanspruch nach Anpassung des Prozessvergleichs vom 14.11.2014 gem. § 313 Abs. 1 BGB. Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist nämlich grundsätzlich insoweit kein Raum, als es - wie hier - um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen.
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Reichold in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022
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Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung des Klägers für seine Zeiten der Betriebsratstätigkeit. Im Streit ist hierbei insbesondere die Berechnung der Provisionen sowie der für die Ausfallzeiten zu zahlenden Durchschnittsvergütung, das sog. Schnittgeld. Dabei begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Gehaltsentwicklung von mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmern der Beklagten sowie Auskunft über seine eigene Arbeitsleistung und Vergütung im Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 1.1.2021.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Autoverkäufer beschäftigt und seit Oktober 2009 in dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat tätig. Der Kläger ist als Betriebsrat auf verschiedenen Organisationsstufen der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Manteltarifvertrag des Kraftfahrzeuggewerbes Hamburg (MTV) Anwendung. Gem. § 20 Nr. 2 S. 1 und S. 2 MTV ist einem Angestellten, der neben dem Fixum eine Provision bezieht, ein Garantieeinkommen zu zahlen, welches aktuell ca. 4.100 € brutto beträgt.
Nach § 21 Nr. 2 Abs. 2 S. 1 und S. 2 MTV besteht das Entgelt aus dem Fixum und der Provision sowie der Verkaufsprämie. Letztere werden dadurch ermittelt, dass für jeden Arbeitstag 1/250 der während der letzten 12 Monate oder des letzten Kalenderjahres gezahlten Provisionssumme und der ständigen Provision eingesetzt wird. Die Höhe des Schnittgelds hängt mithin mittelbar von der Provisionshöhe ab.
Die Frage, wie die Schnittgelder im Einzelnen zu berechnen sind, hat zu diversen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, bis hin zu einem im Jahre 2014 geführten und beendeten Rechtsstreit, geführt. Am 14.11.2014 schlossen die Parteien in diesem Rechtsstreit einen Vergleich geschlossen, in welchem sie Grundsätze der Ermittlung der Vergütung des Klägers vereinbart haben.
Der Kläger meint, der Umfang seiner Betriebsratstätigkeit müsse bei der Provisionsberechnung stärker berücksichtigt werden. Die im Vergleich vereinbarte Schnittberechnung entspreche nicht mehr den tatsächlichen Begebenheiten, in welchen der Kläger arbeite. Der Kläger behauptet, die Provisionsdifferenz beruhe auf einer unzureichenden Ausgleichsvergütung der Beklagten für seine Ausfallzeiten für Betriebsratstätigkeiten.
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Die auf Auskunft gerichteten Anträge sind unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 611a, 242 BGB i.V.m. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG.
Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage ist neben einem Auskunftsbegehren auch die Erforderlichkeit dieser Auskunft für die Erhebung eines nachgeordneten anderen Antrags (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 -Rn. 53; m.w.N.). Letztere ist hier nicht gegeben. Es fehlt an dem die Zahlungsanträge vorbereitenden Charakter. Denn die begehrten Informationen sind für die Geltendmachung der vom Kläger verfolgten Zahlungsansprüche auf einer nachgeordneten Klagestufe unerheblich.
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Diese Berechnungsvereinbarung für das dem Kläger zustehende Schnittgeld und die Provisionen gem. Ziffer 1 lit b) des Prozessvergleichs ist auch wirksam. Voraussetzung für eine wirksame Einigung ist hierbei zunächst die Dispositionsfähigkeit der Parteien hinsichtlich der Konkretisierung der Berechnung der Vergütung für Ausfallzeiten wegen Betriebsratstätigkeiten. Die Dispositionsbefugnis besteht als objektive Voraussetzung der Einwilligung immer dann, wenn sich die Vereinbarung im Rahmen des rechtlich Zulässigen befindet. Dies ist hier der Fall. Sie verstößt weder gegen Tarifrecht noch gegen betriebsverfassungsrechtliche Besser- oder Schlechterstellungsverbote.
Für die Frage, ob die Betriebsvergütung aufgrund der Berechnung der Provisionen und des Schnittgelds zutreffend ist, ist das Lohnausfallprinzip nach § 37 Abs. 2 BetrVG maßgeblich. Entgegen der Auffassung des Klägers findet die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG insoweit keine Anwendung.
Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist wirksam, wenn sie sich - wie hier - innerhalb eines tatsächlichen Korridors hypothetischer Betrachtung bewegt.
Der Kläger hat auch keinen Auskunftsanspruch nach Anpassung des Prozessvergleichs vom 14.11.2014 gem. § 313 Abs. 1 BGB. Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist nämlich grundsätzlich insoweit kein Raum, als es - wie hier - um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen.
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