Verschlechternder Sondertarifvertrag für studentische Aushilfskräfte ist nicht ohne weiteres insgesamt unwirksam
BAG 16.11.2011, 4 AZR 856/09Der Kläger ist Student und arbeitet seit einigen Jahren neben dem Studium als Aushilfe auf einem Flughafen. Seine Arbeitszeit wird bedarfsabhängig im gegenseitigen Einvernehmen festgesetzt und darf lediglich bestimmte Höchstzeiten nicht überschreiten.
Der beklagte Flughafenbetreiber ist Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands und daher an den TVöD gebunden. Diesen wendet er allerdings auf studentische Aushilfen nicht an, auch wenn sie - wie der Kläger - Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di sind. Er beruft sich darauf, dass er mit ver.di zum 1.8.2007 einen Haustarifvertrag für studentische Aushilfskräfte abgeschlossen hat, der für diesen Personenkreis abweichende Arbeitsbedingungen vorsieht.
Studenten werden durch den Haustarifvertrag z.B. im Bereich der Vergütung gegenüber den regulär Beschäftigten schlechter gestellt. Einer Beschwerde des Klägers gegen diesen Tarifabschluss hat der Kontroll- und Beschwerdeausschuss der Gewerkschaft stattgegeben. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass auf sein Arbeitsverhältnis der TVöD für den Dienstleistungsbereich Flughäfen (TVöD-F) anwendbar ist. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der TVöD-F ist auf den Arbeitsvertrag des Klägers mit dem Beklagten nicht anwendbar. Maßgeblich für das Arbeitsverhältnis ist vielmehr der von dem Beklagten mit ver.di abgeschlossene Haustarifvertrag für studentische Aushilfskräfte. Dieser wurde seitens ver.di von den für einen Tarifabschluss Vertretungsbefugten unterzeichnet. Etwaige Mängel bei der innerverbandlichen Willensbildung führen nicht zur Unwirksamkeit des Vereinbarten.
Die Unwirksamkeit des Haustarifvertrags als solchen ergibt sich auch nicht daraus, dass er für Studierende teils deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen vorsieht als für "Normalbeschäftigte". Einzelne Bestimmungen sind daher zwar möglicherweise wegen Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote rechtsunwirksam. Hieraus folgt aber nur dann eine Unwirksamkeit des kompletten Tarifvertrags, wenn dieser den an einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrag zu stellenden Anforderungen nicht genügt oder seine Regelungen insgesamt unwirksam oder unanwendbar sind.
Der streitige Haustarifvertrag enthält zumindest auch von Rechts wegen nicht zu beanstandende Regelungen. Er verdrängt deshalb in seinem Anwendungsbereich den TVöD-F. Ob einzelne Bestimmungen des Haustarifvertrags gegen Diskriminierungsverbote verstoßen und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben, war angesichts des allein anhängigen Feststellungsantrags nicht zu entscheiden.
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