19.11.2024

Verschlechterung betrieblicher Altersversorgung im Konzern

Wenn der Konzernarbeitgeber die schon bislang konzernweit geregelte betriebliche Altersversorgung für den gesamten Konzern durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung ablösen möchte, bestimmt sich das Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe für eine verschlechternde Regelung der noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Stufe des Prüfungsschemas des Senats) nach den tatsächlichen Umständen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Konzern.

BAG v. 2.7.2024 - 3 AZR 247/23
Der Sachverhalt:
Der im August 1955 geborene Kläger war seit Oktober 1986 bei der H S-AG - einem Tochterunternehmen der H-AG - beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. eine Klausel zur Altersversorgung. Zu diesem Zeitpunkt galt eine Konzernbetriebsvereinbarung "Pensionsordnung der H Werke-AG vom 1.10.1977" (KBV PO 77). Zum 1.1.1987 trat durch weitere Konzernbetriebsvereinbarung eine geänderte Pensionsordnung in Kraft (KBV PO 87). Vom 1.7.1997 bis zum 31.12.1997 war der Kläger vorübergehend bei der H P-GmbH beschäftigt. Ende August 2020 trat er in den Ruhestand und bezieht seitdem von der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. 180,76 € brutto monatlich.

Der Kläger hat geltend gemacht, seine betriebliche Altersversorgung sei ausschließlich nach der KBV PO 77 und somit höher zu berechnen. Diese sei nicht wirksam durch die KBV PO 87 abgelöst worden. Ein außergewöhnlich hoher Rückstellungsbedarf könne die Ablösung nicht rechtfertigen. Das Gesamtkonzept zur Kosteneinsparung sei nicht erläutert worden, das Einsparvolumen durch die KBV PO 87 nicht schlüssig. Die Beklagte sei als Rechtsnachfolgerin der H S-AG passiv legitimiert. Sein Arbeitsvertrag aus 1986 sei nicht aufgehoben, sondern ab Januar 1998 bei der K H S-AG fortgeführt worden. Der Kläger forderte monatlich weitere 517,68 € inklusive Nachzahlung.

Die Beklagte war der Ansicht, es sei verfehlt, den Wegfall oder die Begrenzung künftig erdienbarer Zuwächse vom Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe abhängig zu machen. Solche Gründe hätten für die Ablösung der KBV PO 77 durch die KBV PO 87 vorgelegen. Hierfür sei eine konzerneinheitliche Betrachtung geboten. Bei Umstellung des Versorgungswerks auf die KBV PO 87 seien die Rückstellungen nach 20 Jahren um 1,6 Mrd. DM geringer ausgefallen. Der H-Konzern habe sich aufgrund der Stahlkrise in existentiellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Ferner hätten sich die Gerechtigkeitsvorstellungen zur Funktion der betrieblichen Altersversorgung geändert.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Mit der gegebenen Begründung durfte das LAG nicht annehmen, die betriebliche Altersrente des Klägers sei nur für die Zeit vom 1.1.1986 bis 31.12.1986 nach den Bestimmungen der KBV PO 77 zu berechnen, ab dem 1.1.1987 hingegen nach den Bestimmungen der KBV PO 87.

Zwar konnte die KBV PO 77 nach der für Betriebsvereinbarungen geltenden Zeitkollisionsregel grundsätzlich durch die gleichrangige KBV PO 87 abgelöst werden. Nach dem vom Senat aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes entwickelten dreistufigen Prüfungsschema bedarf es bei der verschlechternden Neuregelung einer Versorgungsordnung jedoch unterschiedlich gewichtiger Gründe für eine Ablösung (st. Rspr. zuletzt BAG 3.5.2022 - 3 AZR 472/21; 9.5.2023 - 3 AZR 226/22). Der unter Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, § 2a Abs. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden.

Der Eingriff setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus dynamischen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für eine Verschlechterung der Berechnungsgrundlagen für dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten sind schließlich sachlich-proportionale Gründe erforderlich. Hieran hält der Senat auch angesichts der von der Beklagten erhobenen Einwände fest. Gemessen an diesen Grundsätzen hielt die Annahme des LAG, bei der gebotenen konzernbezogenen Betrachtung hätten sachlich-proportionale Gründe für die verschlechternde Regelung der künftigen Zuwachsraten vorgelegen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es fehlte an Feststellungen, die geeignet sind, die vorgenommene Würdigung des LAG zu tragen.

So blieb, soweit das LAG wirtschaftliche Schwierigkeiten des Konzerns angenommen haben sollte, offen, welche "unmittelbaren oder mittelbaren" Auswirkungen die Stahlkrise auf die H-AG hatte. Diese Unklarheit wurde dadurch verstärkt, dass das Berufungsgericht sodann allein die prognostizierte Entwicklung bei den sog. Pensionsrückstellungen als "ausschlaggebend" angesehen hatte. Zudem blieb unklar, ob tatsächlich Rückstellungen oder steigende Versorgungslasten gemeint waren. Auch war nicht festgestellt, worauf der prognostizierte starke Anstieg der Rückstellungen zurückzuführen war. Bei der Prüfung der Proportionalität der Einsparungen ließ das Berufungsurteil eine nachvollziehbare Würdigung dazu vermissen, inwiefern sich diese in ein plausibles Konzept zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einfügten.

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