Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften kann zur Haftung des Arbeitgebers gegenüber der Berufsgenossenschaft führen
OLG Oldenburg 23.10.2014, 14 U 34/14Ein Mitarbeiter der beklagten Firma hatte im Dezember 2007 auf dem Flachdach eines Werkstattneubaus gearbeitet. Das Flachdach war mit Rauhspundplatten belegt, auf denen die Arbeiten ausgeführt wurden. In die Rauhspundplatten sägten Arbeiter der beklagten Firma ca. 5 qm große Löcher. Im Anschluss wurde die gesamte Fläche mit einer Dampfsperrfolie abgedeckt. Die Löcher waren dadurch verdeckt. Hier sollten später Lichtkuppeln eingesetzt werden.
Der Mitarbeiter der Beklagten betrat an dem maßgeblichen Tag das Dach, stürzte in eines der Löcher und fiel mehr als drei Meter in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzungen, insbesondere ein offenes Schädel-Hirn-Trauma. Aufgrund dieser Verletzungen ist er vollständig erwerbsgemindert und lebt in einem Pflegeheim.
Die Berufsgenossenschaft erbrachte seitdem als gesetzlicher Unfallversicherer der Beklagten für den Verunfallten Leistungen von rund 1 Mio. €, die sie dem Grunde nach von der Beklagten erstattet verlangte. Das LG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob das OLG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Außerdem stellte der Senat fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Berufsgenossenschaft die künftig entstehenden Aufwendungen zu erstatten. Das LG muss noch über die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen entscheiden und feststellen, ob die Berufsgenossenschaft tatsächlich den gesamten Betrag vom Beklagten verlangen kann. Das Berufungsurteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Beklagte haftet der Berufsgenossenschaft für die von ihr zu erstattenden Aufwendungen, da sie die Bauarbeiten ohne Sicherheitsvorkehrungen von ihren Arbeitnehmern hatte durchführen lassen und damit gegen Unfallverhütungsvorschriften verstieß.
Nach den Unfallverhütungsvorschriften müssen bei einer möglichen Absturzhöhe von mehr als drei Metern Absturzsicherungen angebracht werden und Öffnungen auf Dachflächen, die kleiner als 9 qm sind, ebenfalls mit Sicherungen gegen ein Hineinfallen oder Hineintreten versehen werden. Es war nicht nachvollziehbar, warum etwa kein Gerüst unterhalb der Löcher im Dach aufgebaut worden war. Das bewusste Absehen von diesen Sicherungsmaßnahmen stellte somit ein grobes Verschulden dar.
So hätte es sich für den Beklagten aufdrängen müssen, dass solche Sicherungsmaßnahmen nach dem Arbeitsablauf für die weiteren Dacharbeiten unverzichtbar waren. Das Gefahrenpotential hatte sich zusätzlich durch die aufgebrachte Dampfsperre, die die vorhandenen Öffnungen wieder überdeckte, erhöht. Auch wenn die Öffnungen im Dach weiterhin erkennbar geblieben waren, wurde die Wahrnehmbarkeit durch das Bild einer einheitlichen Fläche herabgesetzt.