Verwirkung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs
ArbG Karlsruhe 16.3.2018, 7 Ca 214/17Die Beklagte befindet sich in der Liquidation. Sie betrieb ein Unternehmen mit Personen- und Sachtransporten. Zum 30.6.2015 stellte sie ihren Betrieb ein und kündigte dem bei ihr beschäftigten Kläger zum 30.4.2015. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 1.258 €. Er hatte 24 Tage Urlaub pro Jahr.
Der Kläger war vom 1.4.2015 bis zum 14.4.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 15.5.2015 hatte er eine neue Arbeitsstelle, weshalb er sich mit der Beklagten auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 14.4.2015 einigte. Im Mai 2016 forderte der Kläger Entgelt für März und April 2015. Dieses hatte die Beklagte jedoch bereits im Januar 2016 bezahlt. Im März 2017 verlangte der Kläger sodann Urlaubsabgeltung, da ihm noch 19 Urlaubstage aus 2014 und acht Urlaubstage aus 2015 zustünden, die er krankheitsbedingt nicht habe wahrnehmen können, zustünden.
Die Beklagte lehnte dies ab. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe seinen Urlaubsabgeltungsanspruch verwirkt. Sie habe nach so langer Zeit und der Stilllegung des Betriebs nicht mehr mit einem Urlaubsabgeltungsanspruch gerechnet. Die Klage auf Zahlung der geltend gemachten Urlaubsabgeltung i.H.v. 1.306,38 € brutto hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BurlG verwirkt. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Surrogat des Urlaubsanspruchs ist, sondern ein reiner Entgeltanspruch, kann er verfallen und auch verwirken.
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie soll der Rechtsklarheit dienen und hat nicht den Zweck, den Schuldner von ihrer Leistungspflicht zu befreien, wenn die Gläubiger ihre Rechte über einen längeren Zeitraum ihn gegenüber nicht geltend gemacht haben. Daher kann ein gewisser Zeitablauf für sich allein genommen nicht die Verwirkung eines Rechts rechtfertigen. (Zeitmoment). Vielmehr müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Gläubigers als auch des Schuldners zu dem Zeitmoment hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben und damit als unzumutbar für den Schuldner anzusehen. Der Gläubiger muss den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen will, so dass sich der Schuldner darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Der Vertrauensschutz des Schuldners muss das Interesse des Gläubigers an der Geltendmachung des Rechts überwiegen (Zumutbarkeitsmoment).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger seinen geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch im Streitfall verwirkt. Als er diesen eingeklagt hat, war das Arbeitsverhältnis bereits seit zwei Jahren und vier Monaten beendet. Das Zeitmoment liegt somit vor. Auch das Umstandsmoment ist gegeben, denn die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Rechts ihren Geschäftsbetrieb seit über zwei Jahren stillgelegt und zwischenzeitlich abgewickelt. Hinzu kommt, dass der Kläger seit über zwei Jahren eine neue Arbeitsstelle hat und sein altes Arbeitsverhältnis daher einvernehmlich vorzeitig beendet worden war. Mit der letzten Entgeltzahlung im Januar 2016 war es abgewickelt. Im Mai 2016 hatte er ausschließlich Entgelt gefordert, welches er bereits erhalten hatte, und nicht weiteres. Die Beklagte hat daher nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger weitere zehn Monate später außergerichtlich und weitere 18 Monate später gerichtlich Urlaubsabgeltung einfordert.
Angesichts des Zeitmoments und der Umstände hat die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass aus dem Arbeitsverhältnis keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Es ist ihr daher nicht mehr zuzumuten, den Urlaubsabgeltungsanspruch zu erfüllen.
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