Verzögerte Besoldungsanpassungen für sächsische Beamte der Besoldungsgruppen A10 aufwärts sind nicht verfassungskonform
BVerfG 23.5.2017, 2 BvR 883/14 u. 2 BvR 905/14Die Beschwerdeführer sind bzw. waren Polizeioberkommissare der Besoldungsgruppe A10 im Freistaat Sachsen. Der Freistaat Sachsen hatte zum 1.1.2008 die Angleichung der Ostbesoldung an das Westniveau für Beamte der Besoldungsgruppe bis A9 vorgenommen. Die abgesenkte Ostbesoldung für die Besoldungsgruppen ab A10 aufwärts lief hingegen erst zum 1.1.2010 aus. Zusätzlich wurde im Jahr 2008 für die Beamten der Besoldungsgruppen abA10 aufwärts die Besoldungsanpassung um 2,9 Prozent um vier Monate hinausgeschoben. Um zu verhindern, dass Beamte der Besoldungsgruppe A10 (Ost) geringere Dienstbezüge als Beamte der Besoldungsgruppe A9 (West) erhielten, wurde den Beamten der Besoldungsgruppe A10 (Ost) eine Zulage i.H.v. 10 Euro gezahlt. Erhielt der Beamte (A10 Ost) jedoch gleich hohe oder geringfügig höhere Bezüge als ein vergleichbarer Beamter der Besoldungsgruppe A9 (West) entfiel die Zulage.
Der Unterschied der Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A9 zu der der Gruppe A10 lag vor der Änderung 2008 durchschnittlich bei 223,75 Euro bzw. 10,66 Prozent. Nach der Änderung entsprach der Unterschiedsbetrag im Durchschnitt nur noch 55,88 Euro bzw. 2,36 Prozent.
Beide Beschwerdeführer waren sowohl von der abgesenkten Ostbesoldung als auch von der verzögerten Besoldungsanpassung um vier Monate betroffen. Die auf volle Besoldung gerichteten Klagen beider Beschwerdeführer blieben in allen Instanzen erfolglos. Die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführer, die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG rügten, war erfolgreich.
Die Gründe:
Die verzögerte Besoldungsangleichung an das Westniveau und die verzögerte Besoldungsanpassung 2008 um 2,9 Prozent um vier Monate der Besoldungsgruppen A10 aufwärts sind mit Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.
Zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtenverhältnisses gehören das Alimentations-, das Leistungs-sowie das Laufbahnprinzip und damit eng verknüpft das Abstandsgebot.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, dem Beamten und seiner Familie einen angemessenen Lebensunterhalt zu zahlen. Eine schlechte finanzielle Lage des öffentlichen Haushalts und das Ziel einer Haushaltskonsolidierung können diesen Grundsatz allein nicht einschränken. Das Prinzip ist durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt. Nach dem Laufbahnprinzip und dem damit eng zusammenhängenden Abstandsgebot sind höhere Ämter mit für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen verbunden und dies muss sich organisatorisch in der Staffelung der Gehälter ausdrücken. Dem Gesetzgeber ist es untersagt, trotz seines an sich weiten Gestaltungsspielraums im Besoldungsrecht, den Abstand zwischen unterschiedlichen Besoldungsgruppen und damit auch Leistungsgruppen auf Dauer einzuebnen, es sei denn er nimmt eine Neueinschätzung der Wertigkeit der Ämter vor. Gegen diese Grundsätze wurde im vorliegenden Fall verstoßen, da eine dauerhafte Einebnung zwischen den Besoldungsgruppen A9 und A10 aufgrund des geringen Unterschiedsbetrags von 55,88 Euro stattfindet. Es fehlt an einer sachlichen Rechtfertigung für diesen Verstoß gegen das Abstandsgebot.
Die verzögerte Besoldungsangleichung an das Westniveau und die verzögerte Besoldungsanpassung um 2,9 Prozent um vier Monate benachteiligen zudem die Beamten der Besoldungsgruppen A10 aufwärts im Vergleich zu denen der Besoldungsgruppe bis A9. Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund liegt nicht vor. Insbesondere liegt keine Neuregelung des Besoldungssystems vor. Die verzögerte Anpassung sollte allein der Erzielung von Einsparungen dienen. Dies stellt jedoch eine mit den oben genannten Grundsätzen unvereinbare Einzelmaßnahme dar, die lediglich eine bestimmte Personengruppe trifft und nicht für alle Beamten gleichermaßen gilt. Wenn der Gesetzgeber eine Anpassung der Dienstbezüge jedoch für angemessen hält, muss er diese für alle Beamten gleichermaßen vornehmen, es sei denn das er eine Umgestaltung des Systems und eine Neubewertung der Ämter vornimmt. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine durch Haushaltseinsparungen motivierte Einzelmaßnahme.
Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet bis spätestens 1.7.2018 für die Jahre 2008 und 2009 der Ungleichbehandlung eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen.
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