Wann verletzen Arbeitgeber ihre Neutralitätspflicht bei Betriebsratswahlen?
Hessisches LAG 12.11.2015, 9 TaBV 44/15Der Arbeitgeber betreibt ein Pharmaunternehmen. Im Mai 2014 wurde hier ein neuer Betriebsrat gewählt. Eine bislang im Betriebsrat vertretene Gruppe erzielte dabei mit ihrer Liste ein schlechteres Ergebnis als bei der vorherigen Wahl. Den Grund hierfür sah sie in einem Gespräch der Personalleitung mit einer Gruppe von Arbeitnehmern vor der Wahl. Dabei sei zur Opposition gegen Kandidaten ihrer Liste aufgerufen worden. Außerdem sei ihre Arbeit im vorherigen Betriebsrat einseitig dargestellt und kritisiert worden.
Das von Vertretern dieser Gruppe eingeleitete Wahlanfechtungsverfahren hatte vor dem LAG Erfolg. Dieses ließ allerdings wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Rechtsbeschwerde zum BAG zu.
Die Gründe:
Die Betriebsratswahl ist unwirksam, weil der Arbeitgeber unter Verstoß gegen seine Neutralitätspflicht aus § 20 BetrVG versucht hat, die Wahl zu beeinflussen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Personalleitung vor der Wahl gegenüber einer Gruppe von Mitarbeitern zur Opposition gegen bestimmte Kandidaten für die Betriebsratswahl aufgerufen hat, die bereits im Betriebsrat tätig waren. Außerdem ist deren damalige Arbeit in der Arbeitnehmervertretung einseitig geschildert und angegriffen worden.
Der im Mai 2014 gewählte gemeinsame Betriebsrat des Unternehmens kann allerdings trotz der erfolgreichen Anfechtung der Wahl sein Amt vorerst weiter ausüben. Erst wenn der Beschluss rechtskräftig wird, endet dieses Amt mit Wirkung für die Zukunft.
Der Hintergrund:
Soweit ersichtlich, hat das BAG bisher noch keine Entscheidung zur Neutralitätspflicht des Arbeitgebers nach § 20 BetrVG getroffen.