Welcher Rechtsweg ist eröffnet? Wertpapiergeschäfte einer ehemaligen Bankangestellten
LAG Hessen 6.12.2018, 6 Ta 292/18Die Parteien streiten über Herausgabeansprüche in Bezug auf Compliance-Richtlinien und Unterlagen aus Depotverträgen, das Führen eines Schlichtungsgesprächs sowie Wiedergutmachung aufgrund Verletzung von Persönlichkeitsrechten; in diesem Zusammenhang streiten sie vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.
Die Klägerin war seit Oktober 1982 bei der A-AG, zuletzt als Sekretärin der Abteilungsleitung in der Firmenkundenbetreuung tätig. Im Januar 2002 schlossen die Klägerin und die A-AG einen Altersteilzeitvertrag. Darin ist unter der Überschrift "Compliance" folgendes vereinbart: "Die Mitarbeiterin hat die Compliance-Regeln der A-Gruppe, insbesondere die Leitsätze für Mitarbeitergeschäfte erhalten und erkannt an, dass die Einhaltung dieser Regeln in ihrer jeweils gültigen Fassung eine wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Ansehens der A-Gruppe bei ihren Kunden und für die Qualitätssicherung ihrer Produkte ist sowie dem Schutz der Mitarbeiterin und anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dient."
Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.11.2005. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der A-AG. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses konnten die Arbeitnehmer zu Mitarbeiterkonditionen Bankgeschäfte abschließen. Dies tat auch die Klägerin. Sie unterhielt bei der A-AG ein Depot über die von ihr getätigten Wertpapiergeschäfte. Sie will nach der Insolvenz von C im Sommer 2008 erhebliche Verluste aus diesen Wertpapiergeschäften erlitten haben.
Das ArbG hat nach Rechtswegrüge der Beklagten die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für den Klageantrag zu 1) angenommen und für die Klageanträge zu 2) bis 5) die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ArbG verneint und den Rechtsstreit insoweit an das AG Frankfurt a.M. verwiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Das ArbG half der Beschwerde nicht ab und legte diese dem LAG zur Entscheidung vor. Das LAG wies die sofortige Beschwerde zurück.
Die Gründe:
Das ArbG hat zu Recht angenommen, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Klageanträge zu 2) bis 5) nicht eröffnet ist, da die den hiermit geltend gemachten Ansprüchen zugrundeliegenden Sachverhalte keinen der in den §§ 2-3 ArbGG aufgeführten Tatbestände zuzuordnen sind.
Insbesondere handelt es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG). Die A-AG bzw. die Beklagte bieten im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Bankdienstleistungen, auch für ihre Mitarbeiter als Kunden an. Bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen entsteht neben dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Mitarbeiter und der Bank eine weitere Geschäftsbeziehung, das Kundenverhältnis. Im Rahmen dieses Kundenverhältnisses schließt die Bank mit den Mitarbeitern separate Verträge wie Konto-/Depotverträge/Wertpapiergeschäfte ab. Die Klägerin wendet sich gegen eine fehlerhafte Beratung bei Abschluss der Verträge. Diese Rechtsverletzung trifft die Klägerin nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin, sondern als Bankkundin.
Es liegt auch keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubter Handlung, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang steht, vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG). Diese Zuständigkeit setzt voraus, dass die unerlaubte Handlung in einer inneren Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis der Parteien steht. Dies ist der Fall, wenn sie in der Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Berührungspunkten und Reibungen ihre Ursache findet. Eine unerlaubte Handlung, die die Klägerin z.B. meint in Indizien für eine Manipulation des "persönlichen Beratungsbogens Wertpapiere" zu haben, steht aber nicht in einer inneren Beziehung zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien. Auch hier ist die Kundenbeziehung zur Bank betroffen.
Es liegt keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis im rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG). Ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht, wenn der Anspruch auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder durch dieses bedingt ist. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem von einem Arbeitnehmer geltend gemachten Anspruch und seinem Arbeitsverhältnis ist gegeben, wenn der Anspruch auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruht oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestandes ist. Die hier mit den Klageanträgen zu 2) bis 5) geltend gemachten Ansprüche beruhen nicht auf dem Arbeitsverhältnis und sind auch nicht durch dieses bedingt.
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