Mehrfach nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtungen rechtfertigt die Amtsenthebung eines Notars
BGH 22.7.2013, NotZ (Brfg) 13/12Der 1956 geborene Kläger war 1985 als Rechtsanwalt zugelassen und 1991 zum Notar bestellt worden. Seit 2000 erhoben Gläubiger von ihm immer wieder wegen offener Forderungen Klagen und mussten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen. Insbesondere kam es seit Ende 2010 zu dergleichen wegen fünfstelliger Forderungen des Rechtsanwaltsversorgungswerks und des Steuerfiskus.
Daraufhin enthob der Beklagte den Kläger vorläufig seines Amtes als Notar. Der Kläger habe in kurzer Zeit Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 45.000 € angehäuft. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Anfechtungsklage, mit der er geltend machte, die Rückstände bei dem Rechtsanwaltsversorgungswerk weitgehend beglichen zu haben. Die Steuerforderungen resultierten vor allem aus einem außerordentlichen Gewinn seiner Ehefrau im Jahr 2007. Mit dem Finanzamt sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, deren Bedingungen er eingehalten habe. Wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem OLG glich der Kläger auch die letzten noch offenen Forderungen aus.
Das OLG hob den angegriffenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen der vom Beklagten angeführten Amtsenthebungsgründe gem. § 54 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Nr. 6 u. 8 BNotO lägen nicht mehr vor. Zwar sei das Zahlungsverhalten des Klägers in der Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt des § 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. BNotO bedenklich gewesen. Nach der zwischenzeitlichen Befriedigung sämtlicher Rückstände lasse jedoch die derzeitige Einkommenssituation des Klägers zukünftige Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr befürchten.
Auf die Berufung des Beklagten hob der BGH das Urteil des Notarsenats des OLG auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BnotO waren erfüllt, so dass der Beklagte nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO zur vorläufigen Amtsenthebung des Klägers als Notar befugt war.
Neben der Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars, die regelmäßig anzunehmen ist, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen wurden, ist bereits eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, als solche nicht hinnehmbar. Ohne Belang ist dabei, aus welchen Gründen diese Maßnahmen erforderlich werden.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ergab sich aus der Tatsache, dass der Kläger - soweit ersichtlich - die offenen Forderungen kurz vor der mündlichen Verhandlung vollständig beglichen hatte, noch nicht, dass die Art seiner Wirtschaftsführung mittlerweile mit der notwendigen Aussicht auf Dauerhaftigkeit geordnet ist. Zum einen hatte es der Kläger über einen zwölfjährigen Zeitraum immer wieder dazu kommen lassen, dass wegen berechtigter Ansprüche Klagen erhoben und Zwangsvollstreckungen eingeleitet werden mussten. Dies deutete darauf hin, dass der Kläger dauerhaft nicht willens oder - sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus wirtschaftlichen Gründen - nicht in der Lage ist, fällige Forderungen mit der für einen Notar erforderlichen Zuverlässigkeit zu begleichen. Zum anderen rechtfertigte die vom OLG angeführte Steigerung seiner beruflich erzielten Gewinne nicht die Prognose, künftige Vollstreckungsmaßnahmen seien nicht zu befürchten.
Gleichwohl sind die Interessen der Rechtsuchenden aufgrund der Art der Wirtschaftsführung des Klägers gefährdet. Denn eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtungen stellt eine für einen Notar nicht hinnehmbare Art der Wirtschaftsführung dar, die erhebliche Zweifel an seiner wirtschaftlichen Zuverlässigkeit begründet. Die vom OLG insoweit attestierte günstige Prognose hat sich inzwischen als unzutreffend herausgestellt, wie das Entstehen neuerlicher Steuerrückstände in beträchtlicher Höhe belegt. Hiernach hat der Kläger auch in jüngster Zeit wiederum über längere Zeiträume fällige Steuerforderungen nicht beglichen. Soweit er in der mündlichen Verhandlung des Senats möglicherweise hat geltend machen wollen, die von der Finanzverwaltung als Steuerrückstände mitgeteilten Summen seien zum Teil Steuervorauszahlungen gewesen, war dies unerheblich. Denn auch bei Steuervorauszahlungen handelt es sich um fällige Verpflichtungen, mit denen der Schuldner in Rückstand geraten kann.
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