23.06.2014

Zur notariellen Belehrungspflicht über die rechtlichen Folgen einer Änderung der bei Vertragsschluss gegebenen Umstände

Es würde die notariellen Pflichten nach § 17 Abs. 1 BeurkG weit überspannen, wenn der Notar stets alle denkbaren zukünftigen Entwicklungen in den Blick nehmen und rechtlich bewerten müsste. Infolgedessen ist ein Notar - zeitlich vor der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle bei Eheverträgen - nicht verpflichtet, die Parteien des Ehevertrags darüber zu belehren, dass der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einem späteren Wegfall der Geschäftsgrundlage unwirksam oder einem Ehegatten eine Berufung hierauf nach Treu und Glauben verwehrt sein könnte.

BGH 15.5.2014, III ZR 375/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger und seine spätere Ehefrau hatten im Oktober 2000 ehevertraglich für den Fall der Scheidung den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Die Eheleute planten keine gemeinsamen Kinder und gingen davon aus, jeweils mit ihrer eigenen Erwerbstätigkeit ihre Altersvorsorge aufbauen zu können. Im Jahr 2003 meldete die Ehefrau des Klägers mit ihren Einzelhandelsgeschäften Insolvenz an. Sie gab ihre Berufstätigkeit auf und begann - in Absprache mit dem Kläger, einem Zahnarzt - ein Studium. Im Januar 2004 wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Anschließend kümmerte sich die Ehefrau ausschließlich um die Betreuung der gemeinsamen Tochter und die Pflege ihres erkrankten Vaters.

Mit Urteil aus Februar 2009 wurde die Ehe geschieden. Das Familiengericht stellte fest, wegen der offensichtlich einseitigen Benachteiligung der Ehefrau bei Abschluss der Vereinbarung über den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs in dem notariellen Ehevertrag gingen beide Parteien davon aus, dass die Vereinbarung unwirksam sei. Der Kläger kann die durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs eintretende Kürzung seiner Rentenanwartschaft durch die Zahlung von rund 58.457 € an das Versorgungswerk der Zahnärztekammer abwenden. Er begehrte im Wege des Schadensersatzes von der Beklagten als Erbin des den Ehevertrag beurkundenden Notars Zahlung dieses Betrags an das Versorgungswerk.

Der Kläger war Ansicht, der Notar habe amtspflichtwidrig weder auf die Bedeutung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs und eine mögliche Unwirksamkeit des Ehevertrags hingewiesen noch Sorge dafür getragen, dass bei der Ausformulierung des Ehevertrags dieser einer richterlichen Inhaltskontrolle standhalte. Insbesondere habe der Notar es unterlassen, Gründe in den Ehevertrag aufzunehmen, weshalb die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich für beide Seiten interessengerecht sei.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers zurück.

Gründe:
Eine Amtspflichtverletzung des den Ehevertrag aus Oktober 2000 beurkundenden Notars lag nicht vor. Der Notar war insbesondere - zeitlich vor der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle bei Eheverträgen - nicht verpflichtet, die Parteien des Ehevertrags darüber zu belehren, dass der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einem späteren Wegfall der Geschäftsgrundlage unwirksam oder dem Kläger eine Berufung hierauf nach Treu und Glauben verwehrt sein könnte.

Es würde die notariellen Pflichten nach § 17 Abs. 1 BeurkG weit überspannen, wenn der Notar stets alle denkbaren zukünftigen Entwicklungen in den Blick nehmen und rechtlich bewerten müsste. Eine solche notarielle Belehrung kann erforderlich sein, wenn im Einzelfall zum Zeitpunkt der Beurkundung die vertragliche Regelung erkennbar auf einer bestimmten Grundlage beruht, es nach der Lebenserfahrung als möglich erscheint, dass diese Grundlage künftig entfallen könnte, und nach der bei der Beurkundung bestehenden Rechtslage oder einer zu diesem Zeitpunkt sicher absehbaren Änderung der Rechtslage der Wegfall dieser vertraglichen Grundlage dazu führen kann, dass die vereinbarte Rechtsfolge nicht eintritt. Diese Voraussetzungen lagen hier allerdings nicht vor.

Entgegen der Auffassung des OLG war bei der Beurkundung des Ehevertrags im Oktober 2000 weder aufgrund der seinerzeitigen Gesetzeslage und der dazu ergangenen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung noch (insbesondere) aufgrund einer zu diesem Zeitpunkt bereits sicher absehbaren Änderung der Rechtsprechung erkennbar, dass im Fall einer Änderung der - in Gestalt eines getrennten Versorgungsaufbaus geplanten - ehelichen Verhältnisse sich die Berufung auf den im Ehevertrag vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs als treuwidrig darstellen oder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Wege der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unwirksam sein könnte.

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