20.05.2011

Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Zu den Anforderungen an die satzungsgemäße Vermögensbindung

Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung gem. § 61 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Es muss allerdings keine gemeinnützige Körperschaft, der das Restvermögen zufließen soll, konkret benannt werden.

BFH 12.1.2011, I R 91/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nach seiner Satzung verfolgt er "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige mildtätige religiöse Zwecke im Sinne des Abschnitts Steuerbegünstigte Zwecke der AO". Vereinszweck ist u.a. die Verbreitung der Botschaft des Islam durch Institutionen islamischer Einrichtungen, die Durchführung von wissenschaftlichen und informativen Veranstaltungen, die Förderung der Erziehung durch Unterricht und die Unterstützung bedürftiger Personen.

Nach der für die Streitjahre 1999 bis 2006 geltenden Satzung sollte das Vermögen des Klägers bei dessen Auflösung oder bei Wegfall des bisherigen Zwecks nach Begleichung aller Verpflichtungen an einen als gemeinnützig anerkannten Verein fallen, der der marokkanischen Kultur verpflichtet ist und es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige, religiöse Zwecke verwenden muss. Das Finanzamt hob die zunächst ergangenen Freistellungsbescheide auf und setzte die Körperschaftsteuer jeweils auf null fest. Es war der Ansicht, dass der Kläger stark durch die Ideologie der Muslimbruderschaft beeinflusst sei, mit der auch personelle Verflechtungen bestünden. Es sei davon auszugehen, dass sich die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers nicht im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewege.

Der Kläger änderte daraufhin seine Satzung dahingehend, dass "bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall des steuerbegünstigten Zwecks das Vermögen des Vereins nach Abzug der Verbindlichkeiten an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für die Förderung und Pflege der islamischen Religionslehre und Glaubenskultur fällt". Das FG wies die Klage gegen die Körperschaftssteuerbescheide dennoch ab, da die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Vermögensbindung nach § 61 AO nicht vorlägen.

Auf  die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Voraussetzungen der Vermögensbindung nach § 61 AO nicht eingehalten.

Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Das FG war der Ansicht, es sei in der für die Streitjahre gültigen Satzung keine gemeinnützige Körperschaft konkret benannt worden, der das Restvermögen zufließen solle. Durch die Aussage, der Verein, an den das Vermögen des Klägers fallen solle, müsse der marokkanischen Kultur verpflichtet sein, sei satzungsmäßig nicht hinreichend sichergestellt, dass eine Verwendung für gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 52 AO erfolgen werde. Vielmehr könne erst im Zeitpunkt des Vermögensanfalls anhand des konkreten Vereinszwecks des Vermögensempfängers geprüft werden, ob dessen Tätigkeit darauf gerichtet sei, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Die Ausführungen hielten allerdings einer rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Die fehlende namentliche Benennung war gesetzlich nicht gefordert. Der Kläger hat in seiner Satzung einen gemeinnützigen Zweck i.S.d. § 52 AO konkret benannt, nämlich die Förderung der marokkanischen Kultur. Ferner hat er sichergestellt, dass Empfänger des Vermögens nur ein als gemeinnützig anerkannter Verein sein kann, der diesen satzungsmäßigen Zweck auch verfolgt und der die Mittel nur für gemeinnützige, mildtätige und religiöse Zwecke verwenden darf.

Bei einer derartigen Formulierung ist hinreichend aus der Satzung ersichtlich, dass das Vermögen des Klägers auch bei seiner Auflösung oder Wegfalls seines bisherigen Zwecks für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. Weiterer Ausführungen dazu, wie der Satzungszweck "Förderung der marokkanischen Kultur" konkret durch die begünstigte Körperschaft verwirklicht wird, bedarf es im Rahmen des § 61 Abs. 1 AO nicht.

Linkhinweis:

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