12.05.2011

Abfindungszahlungen als außerordentliche Einkünfte

Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird.

BFH 26.1.2011, IX R 20/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger, im Streitjahr 2006 47 Jahre alt, war bei der K-AG nichtselbständig beschäftigt. Im Mai 2005 wurde zwischen ihm und der AG ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.12.2005 einvernehmlich enden sollte. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kläger gem. Sozialplan eine einmalige Abfindung i.H.v. 77.788 €. Eine erste Rate i.H.v. 10.000 € als Vorauszahlung erhielt der Kläger bereits Ende Juni 2005; der Restbetrag von 67.788 € wurde Ende Januar 2006 ausgezahlt.

Mit Einkommensteuererklärung 2005 erklärte der Kläger eine Zahlung von 2.800 € als Entschädigung. Das Finanzamt besteuerte mit Einkommensteuerbescheid 2005 einen Betrag i.H.v. 3.000 € gem. § 34 Abs. 1 EStG. Im Streitjahr 2006 flossen dem Kläger 70.664 € Bruttoentgelte zu. Hierin enthalten war lt. Entgeltberechnung ein Abfindungsbetrag über 67.788 €. Zudem übernahm die AG verabredungsgemäß von den Führerscheinkosten des Klägers i.H.v. 2.469 € einen Betrag von 2.000 €, der in der Entgeltabrechnung als geldwerter Vorteil berücksichtigt wurde und in den Bruttoarbeitslohn lt. Lohnsteuerbescheinigung 2006 einfloss. Mit Einkommensteuererklärung 2006 erklärte der Kläger Entschädigungsleistungen i.H.v. 70.385 €.

Das Finanzamt ging im Einkommensteuerbescheid 2006 von einem Bruttoarbeitslohn des Klägers i.H.v. 70.674 € aus. Die Rechtsprechung habe zwar die Verteilung der Zahlung der Abfindungssumme auf zwei Veranlagungszeiträume als unschädlich angesehen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Diese lägen bei dem Kläger jedoch nicht vor.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Abfindungszahlung nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Gleichwohl ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal.

Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen daher auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt.

Nach diesen Grundsätzen ist die vom Kläger im Streitjahr bezogene Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gem. § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern. Eine für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liegt in Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung unabhängig davon vor, dass der Kläger bereits im Jahr zuvor 2.800 € als steuerpflichtige Teilleistung der Entschädigung erhalten hat. Diese Teilleistung von 2.800 € bewirkt im Hinblick auf einen Bruttoarbeitslohn des Klägers für das Jahr 2005 von ca. 42.000 € und eine Hauptentschädigungszahlung im Jahr 2006 von knapp 68.000 € keine relevante Progressionsverschiebung im Jahr 2005, die geeignet wäre, die Ausnahmesituation des Klägers hinsichtlich seiner Progressionsbelastung im Streitjahr zu beeinflussen.

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