02.08.2019

Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten

Für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb Krankenhaus ist es nicht erforderlich, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit erbracht wird.

BFH v. 6.6.2019 - V R 39/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Trägerin eines gemeinnützigen Plankrankenhauses, bei dem es sich um einen Zweckbetrieb i.S.v. § 67 AO handelt, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist. In dem Krankenhaus wurden an Krebs erkrankte Patienten stationär und ambulant durch Chemotherapien mit Zytostatika behandelt. Die ambulanten Behandlungen wurden in den Streitjahren durch mehrere bei der Klägerin in der Klinik für Innere Medizin und Onkologie angestellte Ärzte, die insoweit jeweils gem. § 116 SGB V oder nach § 31a Ärzte-ZV zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt waren, sowie in geringem Umfang im Rahmen von Privatambulanzen in der Frauenklinik und der Klinik für Urologie durch zwei weitere Ärzte durchgeführt, denen eine die Behandlung mit Zytostatika umfassende Ermächtigung gem. § 116 SGB V bzw. § 31a Ärzte-ZV nicht erteilt worden war.

Alle Ärzte führten ihre ambulanten Behandlungen jeweils nicht als Dienstaufgabe im Auftrag der Klägerin, sondern im Rahmen einer ihnen aufgrund vertraglicher Absprachen mit der Klägerin erlaubten Nebentätigkeit durch. Ihre im Rahmen der vertragsärztlichen oder privaten Ambulanzen erbrachten Behandlungsleistungen rechneten sie jeweils selbst mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung und den gesetzlichen Krankenkassen oder mit ihren Privatpatienten ab. Sie waren auch für die Versteuerung ihrer Anteile aus ihren ambulanten Erlösen selbst verantwortlich. Zur Versorgung des Krankenhauses mit Arzneimitteln unterhielt die Klägerin eine Krankenhausapotheke, die u.a. auch die Zytostatika für die ambulante Chemotherapie im Krankenhaus lieferte.

Die Klägerin behandelte die Abgabe der Zytostatika für die ambulant durchgeführten Chemotherapien als dem Zweckbetrieb Krankenhaus zugehörig. Bei einer Außenprüfung für diese Jahre vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Abgabe von Medikamenten (Zytostatika) an Patienten während der ambulanten Behandlung im Krankenhaus im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs "Krankenhausapotheke" erfolgt und daher körperschaftsteuerpflichtig sei. Das Finanzamt erließ dementsprechende Körperschaftsteuerbescheide.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 und 2 KStG sind die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Trotz Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bleibt die Steuerfreiheit bestehen, wenn es sich um einen Zweckbetrieb (§§ 65 ff. AO) handelt. Ein Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb, wenn es in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) oder der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) fällt und mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden.

Die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke zur anschließenden Verabreichung an die nach § 116 SGB V ambulant behandelten Patienten ist dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Denn die Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten ist eine von einem Krankenhaus typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung. Sie dient allein dazu, eine effektive ambulante onkologische Behandlung im Krankenhaus zu gewährleisten, die - wie auch die Zytostatikaabgabe - grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen erfolgt. Der Zurechnungszusammenhang der ambulanten Behandlungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus wird nicht dadurch unterbrochen, dass der Chefarzt des Hospitals gem. § 116 SGB V persönlich bevollmächtigt und verpflichtet ist, die ambulanten Behandlungen persönlich durchzuführen, da er seine Behandlungsleistungen innerhalb der zum Krankenhausbetrieb gehörenden ambulanten Onkologie erbringt und er selbst gem. § 116 SGB V als Krankenhausarzt und nicht als außerhalb des Krankenhausbetriebs praktizierender niedergelassener Arzt tätig ist.

Soweit sich aus dem Anwendungserlass zur AO zu § 67 AO etwas anderes ergeben sollte, schließt sich der BFH dem nicht an. Entscheidend ist, dass die Zytostatika im Rahmen einer nach § 116 SGB V sozialversicherungsrechtlich zulässigen Behandlung abgegeben wurden, nicht aber, ob es sich bei Anwendung dieser Vorschrift um eine Dienstaufgabe oder eine Nebentätigkeit handelt. Insbesondere im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Versorgungssicherheit und die durch § 67 AO angeordnete Maßgeblichkeit des Sozialversicherungsrechts ist es für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb Krankenhaus nicht erforderlich, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit mit Einkünften nach § 19 EStG erbracht wird. Auch bei Leistungen, die ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis und damit außerhalb seiner dienstvertraglichen Pflichten im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit mit Einkünften nach § 18 EStG erbringt und der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag durch den Arzt auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfüllt wird, sind die Leistungen vielmehr sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst.

Linkhinweis:
  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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