Abgeltungsteuer: Antrag auf sog. Günstigerprüfung - Frist und Änderungsvoraussetzungen
BFH 12.5.2015, VIII R 14/13Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus einer Leibrente. Zudem erzielte sie Kapitalerträge, die sie nicht in ihrer Einkommensteuererklärung angab, da dafür schon die Abgeltungsteuer von 25 % abgeführt worden war. In ihrem Einkommensteuerbescheid blieben die Kapitaleinkünfte daher unberücksichtigt.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist für ihren Einkommensteuerbescheid stellte die Klägerin einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Danach werden auf Antrag des Steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte nicht nach § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 %, sondern nach dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen besteuert, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich der Zuschlagsteuern führt. Dies wäre bei der Klägerin der Fall gewesen, da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag.
Finanzamt und FG lehnten eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab. Daraufhin trug die Klägerin zur Begründung ihrer Revision vor, der Antrag auf Günstigerprüfung sei unbefristet und könne auch nach der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden. Die Revision blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Zwar ist der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG unbefristet, so dass er von der Klägerin auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden konnte. Eine zeitliche Befristung ergibt sich aber aus der Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Andernfalls würden die Vorschriften der AO über die Korrektur bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide unterlaufen.
Die Regelung des § 32d Abs. 6 EStG selbst ist keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung. Sie soll nicht zur Korrektur einer rechtswidrigen Einkommensteuerfestsetzung führen, sondern ist als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger als 25 % liegt, eine weitere Begünstigung erfahren. Zwar wurde dem Finanzamt erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der nach § 32d Abs. 6 EStG angeordneten Gesamtbetrachtung der Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine Korrekturmöglichkeit für derartige "neue Tatsachen" nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist jedoch nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden trifft.
Ein solches Verschulden der Klägerin konnte im vorliegenden Fall jedoch angenommen werden, da die Klägerin die Steuerbescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung erhalten hatte. Dies wirkte sich auch auf die Möglichkeit aus, einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu stellen. Keine Rolle spielte in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin von einem Steuerberater bei der Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung vertreten worden war. Denn auch, wenn sie den Steuerberater entsprechend auf die ihr bekannten Einkünfte aus Kapitalvermögen hingewiesen haben sollte, wäre ihr dessen schuldhafte Pflichtverletzung bei der Erstellung der Steuererklärung wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Weder der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG noch die Vorlage einer Steuerbescheinigung sind ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
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