31.10.2018

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige

Die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist nach Abgabe einer Selbstanzeige schließt eine weitergehende Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen nicht aus, wenn die Steuerfahndung noch vor dem Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist für Steuerhinterziehungen mit Ermittlungen beginnt und die spätere Steuerfestsetzung für die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht. Dies setzt aber voraus, dass die Ermittlungshandlungen konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen.

BFH 3.7.2018, VIII R 9/16
Der Sachverhalt:

Während der Streitjahre 1996 und 1997 unterhielten die Kläger bei einer Stiftung liechtensteinischen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit (sog. Foundation) ein Stiftungsunterkonto (Konto Septo, Konto Nr. ...) mit einem gemeinschaftlichen Depot. Nach Auswertung einer angekauften Steuer-CD verdächtigte die Steuerfahndung die Kläger der Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen aus den bei der Stiftung unterhaltenen Kapitalanlagen für den Zeitraum von 1996 bis 2006, hatte aber zunächst keine konkreten Ermittlungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen aufgenommen.

Die Kläger gaben im Januar 2008 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2006 eine Selbstanzeige ab, in der sie Kapitaleinkünfte nur für diesen Zeitraum nacherklärten. Im Mai 2008 gaben sie dann eine Selbstanzeige hinsichtlich der für die Streitjahre 1996 und 1997 nicht erklärten Kapitaleinkünfte ab. Für diese Streitjahre hatten die Kläger ihre Steuererklärungen im Jahr 1998 abgegeben, so dass die reguläre zehnjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 endete. Als im Juni 2010 für 1996 und 1997 Änderungsbescheide erlassen wurden, wurde streitig, ob die Bescheide für die Streitjahre nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen waren, da sowohl die Zehnjahresfrist als auch die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen gem. § 171 Abs. 9 AO zu diesem Zeitpunkt abgelaufen waren.

Das FG verneinte den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Es stellte fest, dass die Steuerfahndung noch vor Ende des Jahres 2008 bei den Klägern Unterlagen zu den hinterzogenen Kapitalerträgen angefordert habe, deren Gegenstand allerdings nicht näher konkretisiert werden könne. Die zehnjährige Festsetzungsfrist habe sich hierdurch nach § 171 Abs. 5 AO bis zu dem Zeitpunkt verlängert, zu dem die geänderten Steuerbescheide für die Streitjahre unanfechtbar geworden seien, weil in der Anforderung der Unterlagen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung zu sehen seien.

Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:

Das FG hat im Ergebnis rechtsfehlerhaft angenommen, dass bei Erlass der Änderungsbescheide im Juni 2010 eine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 S. 1 AO bestand. Es hat für den Eintritt der Ablaufhemmung zu Unrecht genügen lassen, dass die Steufa in 2008 irgendeine Ermittlungshandlung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen des Prüfungszeitraums 1996 bis 2006 (in Form der festgestellten Anforderung von "Unterlagen zur Vermögensanlage bei der Foundation") entfaltet hat, weil sich die Prüfung erst in ihrem weiteren Verlauf während des Jahres 2009 bis zum Abschlussbericht vom 26. April 2010 auf die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre erstreckt hat.

Erforderlich für den Eintritt der Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 S. 1 AO für die Streitjahre ist allerdins, dass die Steufa noch im Jahr 2008 Ermittlungshandlungen (z.B. durch die Anforderung detaillierter Konto- und Depotauszüge) vorgenommen hat, die der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre dienten. Nur dann beruhen die späteren Steuerfestsetzungen für die Streitjahre auf einer vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist durchgeführten Ermittlungshandlung der Steufa.

Die Feststellungen des FG ermöglichen diesen Schluss nicht. Aus den Feststellungen lässt sich der Gegenstand der angeforderten Unterlagen nicht ableiten. Die Anforderung der Unterlagen im Jahr 2008 ist in den Akten der Steufa nicht dokumentiert. Das FG muss im zweiten Rechtsgang aufklären, ob und welche konkreten Ermittlungshandlungen von der Steuerfahndung noch vor Ablauf des Jahres 2008 zu den für die Streitjahre nacherklärten Kapitalerträgen ausgeführt wurden.

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BFH PM Nr. 55 vom 31.10.2018
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