03.12.2018

Abziehbarkeit von anteiligen Anschaffungskosten bei der Versteuerung von Barabfindungen im Zuge eines Anteilstausches

Die Auslegung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, dahingehend, dass im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Norm bei der Besteuerung der Barabfindung (anteilige) Anschaffungskosten der bisherigen, im Zuge der gesellschaftsrechtlichen Maßnahme eingetauschten Aktien in Abzug zu bringen sind, scheidet aus. Der Wortlaut der Norm ordnet ohne jede Einschränkung an, dass die Gegenleistung, die zusätzlich zu den neuen Anteilen gewährt wird, als "Ertrag" i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt.

FG Münster 9.10.2018, 2 K 3516/17 E
Der Sachverhalt:

Der Kläger besaß ein Aktiendepot, auf dem sich im Streitjahr 2015 zunächst 2.000 Aktien der Firma M (USA) befanden. Diese hatte er jeweils zur Hälfte am 26.7.2013 für 44,65 USD pro Stück und am 23.5.2014 für 60,43 USD pro Stück, insgesamt für 105.080 USD, angeschafft. Per 12.6.2015 buchte die Bank sämtliche M-Aktien aus seinem Depot aus und buchte dafür 581,800 Stück Aktien der S (USA) ein. Zusätzlich kam es zu einer Barauszahlung i.H.v. 50,50 USD pro Aktie der M insgesamt 101.000 USD. Am 16.6.2015 erläuterte die Bank hierzu, dass die Aktien per 12.6.2015 wegen einer Fusion umgetauscht würden. Die angefallenen Aktienbruchteile würden in bar vergütet.

In der Jahressteuerbescheinigung vom 10.2.2016 wies die Bank für das Kalenderjahr 2015 Kapitalerträge lt. Zeile 7 der Anlage KAP mit insgesamt rund 169.280 € aus. In dieser Summe war die Barauszahlung von 89.801 € enthalten, die der Kläger neben den S-Aktien erhalten hatte. Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2015 die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 4 EStG sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Die Höhe der Kapitalerträge korrigierte er dabei um den Betrag von 93.425 € nach unten. Davon entfielen 89.801 € auf den Kurswert der ausgebuchten M-Aktien und 3.623 € auf die Differenz zwischen den Anschaffungskosten dieser Aktien (105.080 USD) und der gezahlten Barabfindung (101.000 USD), insgesamt 4.080 USD, umgerechnet zum Stichtag 12.6.2015 mit einem Kurs von 0,8881 €. Hierzu führte der Kläger aus, die Bank D habe den Vorgang wider besseres Wissen falsch deklariert, nämlich so, als hätte S ohne Gegenleistung eine Barausschüttung erbracht. Tatsächlich habe die Firma S die Firma M käuflich erworben. Er habe aus dem Zwangsverkauf einen Verlust erlitten.

Das Finanzamt erfasste Kapitalerträge i.H.v. 206.806 € bei der Berechnung der nach § 32d Abs. 1 EStG (Abgeltungssteuer) besteuerten Einkünfte. Die von der Bank bescheinigten Kapitalerträge waren darin in vollem Umfang enthalten. Der Kläger machte geltend, dass § 20 Abs. 4a S. 2 EStG nicht zu akzeptieren sei. Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.

Die Gründe:

Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der bei dem Aktientausch gezahlte Barausgleich i.H.v. insgesamt 89.801 € gem. § 20 Abs. 4a S. 2 EStG als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG in vollem Umfang, ohne Abzug von Anschaffungskosten, zugrunde zu legen ist. Die Barabfindung, die der Kläger im Zusammenhang mit der Übernahme von M durch S erhalten hat, gilt nach § 20 Abs. 4a S. 2 EStG in vollem Umfang als Ertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Die vom Kläger begehrte Auslegung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, dahingehend, dass im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Norm bei der Besteuerung der Barabfindung (anteilige) Anschaffungskosten der bisherigen, im Zuge der gesellschaftsrechtlichen Maßnahme eingetauschten Aktien in Abzug zu bringen sind, scheidet aus. Der Wortlaut der Norm ordnet ohne jede Einschränkung an, dass die Gegenleistung, die zusätzlich zu den neuen Anteilen gewährt wird, als "Ertrag" i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt. Das Wort "Gewinn", das § 20 Abs. 4a S. 1 EStG bezüglich der späteren Veräußerung der erworbenen Anteile verwendet und das nach der Legaldefinition in § 20 Abs. 4 EStG eine Residualgröße aus Einnahmen einerseits und bestimmten Aufwendungen und Anschaffungskosten andererseits bezeichnet, enthält § 20 Abs. 4a S. 2 EStG gerade nicht. Auch mit Sinn und Zweck der Norm sowie dem im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Willen des Gesetzgebers ist eine Auslegung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, bei der (anteilige) Anschaffungskosten der bisherigen Aktien in Abzug zu bringen sind, nicht vereinbar.

Auch die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über das BVerfG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Regelungen in § 20 Abs. 4a S. 1 u. 2 EStG verfassungskonform sind. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums auch nicht dadurch überschritten, dass er eine in Zukunft möglicherweise drohende Entstehung von nach § 20 Abs. 6 S. 4 EStG nur beschränkt verrechenbaren Verlusten im Zuge von Anteilstauschvorgängen nicht entgegengewirkt hat und statt dessen etwaige Baraufgaben ohne Abzugsmöglichkeit von Anschaffungskosten gem. § 20 Abs. 4a S. 2 EStG in vollem Umfang der Besteuerung unterworfen hat.

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