05.10.2023

Abzug von Aufwendungen einer Ruhestandsbeamtin im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit als Werbungskosten

Aufwendungen einer Ruhestandsbeamtin im Zusammenhang mit ihrer ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit sind als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen zu berücksichtigen.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.6.2023 - VI R 17/21

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 19 Abs. 2

Die Steuerpflichtige bezieht als pensionierte Landesbeamtin Versorgungsbezüge. Bis zum Eintritt in den Ruhestand war sie hauptamtlich für die eine Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund tätig und hierfür von ihrem Dienstherrn freigestellt. Seit dem Eintritt in den Ruhestand ist sie für verschiedene Gremien der Gewerkschaft ehrenamtlich tätig.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 machte sie Aufwendungen für diese Tätigkeit als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen geltend. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Im Revisionsverfahren bestätigte der BFH die klagestattgebende Entscheidung der Vorinstanz.

Aufwendungen sind dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie mit ihr in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrunds zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ob sich der streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei ohne Belang.

Stehen Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist es für den Begriff der Werbungskosten überdies nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des Steuerpflichtigen, den Beruf zu fördern, der Wirklichkeit entsprechen, das heißt geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Die Rechtsprechung hat daher die Anerkennung von Werbungskosten und Betriebsausgaben grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht, ob der mit den Aufwendungen erstrebte Erfolg eingetreten ist und ob die Aufwendungen nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig waren. Vielmehr hat der Steuerpflichtige einen Ermessensspielraum, ob und welche Aufwendungen er zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einnahmen tätigt.

Nach diesen Grundsätzen ist auch der Abzug von Werbungskosten bei den Versorgungsbezügen zu beurteilen. Im Streitfall hatte das FG zutreffend entschieden, der erforderliche Veranlassungszusammenhang mit den Versorgungsbezügen liege im Streitfall vor, weil die Gewerkschaftsarbeit der Steuerpflichtigen und die dadurch bedingten Aufwendungen auch auf die Verbesserung ihrer Einkünfte als Ruhestandsbeamtin zielten. Da die Arbeit eines Berufsverbands auf dem Gedanken beruht, dass nur die Solidarität der Mitglieder zur Veränderung der beruflichen Bedingungen zugunsten der angeschlossenen Mitglieder führt, ist es folgerichtig, bei den Aufwendungen eines Mitglieds zwecks Förderung der solidarischen Gemeinschaft ebenfalls einen objektiven, durch Aufgabenstellung und Arbeit des Berufsverbands sichtbar werdenden Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit zu bejahen.

Dieser Zusammenhang reicht aus, den Werbungskostenbegriff zu erfüllen, obwohl die Aufwendungen des einzelnen Mitglieds in der Regel nicht unmittelbar und allein auf dessen eigene berufliche Bedingungen, sondern nur mittelbar durch die Arbeit der Gemeinschaft auf die Verhältnisse sämtlicher betroffener Mitglieder des Berufsverbands einwirken können. Denn der Werbungskostenbegriff erfordert nicht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Förderung der Berufstätigkeit.

Diese Grundsätze, die für Aufwendungen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit für die zuständige Gewerkschaft eines berufstätigen Steuerpflichtigen gelten, gelten entsprechend auch für die ehrenamtliche Tätigkeit eines nicht mehr im aktiven Dienst befindlichen Steuerpflichtigen, der Versorgungsbezüge erhält. Denn Gewerkschaften vertreten nicht nur die beruflichen Interessen der berufstätigen Arbeitnehmer und Beamten, sondern auch die Erwerbsinteressen von Pensionären. Sie streben regelmäßig an, die Ergebnisse einer Tarifrunde im öffentlichen Dienst zeitgleich und systemgerecht beziehungsweise wirkungsgleich auf den Bereich Besoldung und Versorgung zu übertragen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück