Abzugsfähigkeit für Aufwendungen für die eigene häusliche Pflege
FG Baden-Württemberg 21.6.2016, 5 K 2714/15Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Versorgungsbezüge). Seit April 2012 ist sie pflegebedürftig mit der Pflegestufe II. Im Juni 2013 hatte sie mit der Firma Y. mit Sitz in Polen einen Dienstleistungsvertrag abschloss. Vertragsinhalt war die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung sowie die Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten, worauf die Firma spezialisiert ist. In geringerem Umfang bietet sie auch Leistungen in der Grundpflege an. Außerdem war die Klägerin verpflichtet, den Mitarbeitern ausnahmslos aus dem Ausland stammenden Betreuungskräfte ausreichende Räume, bestehend aus mindestens einem Schlafraum und einem Zugang zu einem Badezimmer und zu einer Küche, zur Verfügung zu stellen.
In der Einkommensteuererklärung 2014 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen i.H.v. 34.916 €. In dieser Summe enthalten waren u.a. Kosten für Betreuungsdienstleistungen der Firma Y. i.H.v. 28.500 € sowie Kosten für die Betreuerin dieser Firma (freie Verpflegung lt. Sachbezugsverordnung 2.688 €, Unfallversicherung für die Pflegekraft 24 €). Das erhaltene Pflegegeld wurde nicht aufwandsmindernd abgezogen. Das Finanzamt berücksichtigte die Kosten allerdings nicht als außergewöhnliche Belastungen, da es sich bei den Betreuungskräften nicht um ausgebildete Pflegekräfte bzw. einen anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI gehandelt habe. Die Aufwendungen für die Betreuungsleistungen der Firma Y. wurden lediglich als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG berücksichtigt und mit dem Höchstbetrag von 4.000 € von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2014 sind letztendlich 15.452 € als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen.
Dabei zählen zu den dem Grunde nach abziehbaren Pflegeaufwendungen neben den an die Firma Y. geleisteten Zahlungen i.H.v. 28.500 € auch die kostenlose Unterkunft an das jeweilige Betreuungspersonal und die für das Betreuungspersonal geleistete Unfallversicherung i.H.v. 24 €. Nach der für das Streitjahr geltenden Sachbezugsverordnung 2014 betrug der Sachbezugswert für freie Unterkunft bundeseinheitlich 221 € monatlich, so dass weitere 2.652 € anzusetzen waren. Insgesamt lagen somit dem Grunde nach abziehbare Pflegeaufwendungen i.H.v. 31.176 € vor. Diese waren allerdings der Höhe nach auf den angemessenen Anteil von 66,5 % und damit auf eine Höhe von 20.732 € zu kürzen. Hiervon war wiederum das erhaltene Pflegegeld i.H.v. 5.280 € abzuziehen, da außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 Abs. 2 S. 1 EStG nur insoweit abzugsfähig sind, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (BFH-Beschl. v. 14.4.2011, Az.: VI R 8/10).
Die Aufwendungen für die Betreuungskräfte sind der Höhe nach nur abzugsfähig, soweit sie den angemessenen Anteil nicht übersteigen. Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Vorliegend waren die Aufwendungen der Klägerin an die Firma Y. in einem Umfang von 66,5 % angemessen und insoweit abziehbar. Soweit die Aufwendungen auf die Leistungen im Bereich der Grundpflege entfielen, waren sie vollumfänglich abziehbar, was wiederum 49 % der Gesamtaufwendungen an die Firma Y. entsprach.
Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelte. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 33 EStG noch aus § 64 EStDV. Nach § 64 Abs. 1 EStDV hat der Steuerpflichtige den Nachweis der Zwangsläufigkeit von bestimmten Krankheitsaufwendungen durch besondere Gutachten und Bescheinigungen zu erbringen. Pflegeaufwendungen sind in dieser Vorschrift jedoch nicht aufgeführt. Vielmehr ergibt sich im Umkehrschluss zu § 64 Abs. 1 EStDV, dass Pflegeaufwendungen nicht durch bestimmte qualifizierte Bescheinigungen nachgewiesen werden müssen.
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