03.07.2017

Änderung der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags § 52 Abs. 25 S. 5 EStG 2010 verfassungsgemäß

Die einschränkenden Voraussetzungen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gem. § 10d Abs. 4 S. 4 u. 5 EStG 2010 sind verfassungsgemäß. Diese Regelungen sind erstmals für Verluste anwendbar, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 S. 5 EStG 2010).

FG Baden-Württemberg 17.1.2017, 11 K 1669/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Jahr 2004 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer begonnen und im August 2005 erfolgreich abgeschlossen. Seine hierfür 2004 aufgewendeten Kosten hatte das Finanzamt aufgrund des in dieser Sache ergangenen BFH-Urteils vom 28.7.2011 (Az.: VI R 5/10) als Werbungskosten anerkannt und zum 31.12.2004 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer i.H.v. 64.949 € gesondert festgestellt.

Für das Jahr 2005 reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung ein, in der er neben geringfügigen positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bei den Sonderausgaben unter der Bezeichnung "Aus-/Weiterbildung im nichtausgeübten Beruf" auch weitere Kosten der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer i.H.v. 16.408 € erklärte. Das Finanzamt setzte daraufhin die Einkommensteuer für 2005 auf 0 € fest, da sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergeben hätte. Der Bescheid vom 6.7.2006 blieb unangefochten.

Erstmals am 19.8.2011 ging beim Finanzamt ein Antrag des Klägers auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2005 ein, in dem die ursprünglich als Sonderausgaben erklärten Ausbildungskosten i.H.v. 16.371 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert wurden. Das Finanzamt lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2005 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wollte der Kläger erreichen, dass der aus 2004 herrührende Verlustvortrag um die Berufsausbildungskosten des Jahres 2005 erhöht wird.

Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: IX R 15/17 anhängig.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht die vom Kläger begehrte Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2005 abgelehnt.

Da der Kläger erstmals mit Schreiben vom 19.8.2011 und somit nach dem maßgeblichen 13.12.2010 eine Verlustfeststellung zum 31.12.2005 beantragt hatte, waren § 10d Abs. 4 S. 4 u. 5 EStG 2010 anwendbar (§ 52 Abs. 25 S. 5 EStG 2010). § 10d Abs. 4 S. 4 EStG 2010 bewirkt nämlich eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid. Daher entfällt die Verlustfeststellung, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar ist.

Ist der Steuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtigt er keinen Verlust, kommt eine Verlustfeststellung nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar ist. Das gilt sowohl für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag als auch für die Änderung der Verlustfeststellung.

Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers war der Einkommensteuerbescheid 2005 bereits bestandskräftig. Eine Änderungsmöglichkeit nach der Abgabenordnung bestand nicht. Eine von § 10d Abs. 4 S. 4 EStG 2010 abweichende Festsetzung nach S. 5 der Vorschrift schied ebenfalls aus. Eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2005 unterbleibt nämlich nicht ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer, sondern weil der Bescheid mangels eines Einspruchs bestandskräftig wurde.

Der in § 52 Abs. 25 S. 5 EStG 2010 enthaltene Anwendungsbefehl entfaltet zwar Rückwirkung, verstößt aber nicht gegen die Verfassung. Es liegt insofern nur eine gerechtfertigte tatbestandliche Rückanknüpfung vor. Der Gesetzgeber hat mit § 10d Abs. 4 S. 4 u. 5 EStG 2010 ausschließen wollen, dass Rechtsfragen trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung im Verlustfeststellungsverfahren aufgeworfen werden können. Dies würde zu nicht beabsichtigten Vorteilen gegenüber anderen Steuerpflichtigen führen, die die nämliche Rechtsfrage im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung aufgeworfen und nach für sie negativer Entscheidung im Vertrauen auf die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Rechtsprechung den (ggf. negativen) Feststellungsbescheid hätten unanfechtbar werden lassen.

Die Vorschriften des § 10d Abs. 4 S. 4 u. 5 EStG 2010 sollen den Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht dadurch abnehmen, dass ihnen gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem Finanzamt erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lässt. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Der Kläger hätte lediglich die streitbefangenen Aufwendungen bereits im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2005 als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit erklären und auf der Grundlage dieser Qualifizierung einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2005 stellen müssen.

Linkhinweis:

FG Baden-Württemberg PM vom 30.6.2017
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