Ansprüche aus widerrufenem Darlehensvertrag führen nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen
FG Baden-Württemberg v. 8.12.2020 - 8 K 1516/18
Der Sachverhalt:
Der nichtselbständig tätige Kläger schloss 2010 einen Darlehensvertrag mit einer Bank zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie mit einem jährlichen Zinssatz von 2,9 %. Der Kläger widerrief im Streitjahr 2016 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Eine Rückabwicklung folgte.
Im Anschluss ergab sich noch ein Zahlungsanspruch der Bank i.H.v. rd. 108.000 €. In der Darlehensabrechnung wurde zugunsten des Klägers eine "Verzinsung" i.H.v. rd. 19.000 € auf seine bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen berücksichtigt. Von diesem Betrag (Nutzungsersatzanspruch) behielt die Bank Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Das Finanzamt unterwarf den Nutzungsersatzanspruch ebenfalls der Kapitalertragsteuer.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. VIII R 5/21 geführt.
Die Gründe:
Der in der Darlehensabrechnung berücksichtigte Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz i.H.v. 19.000 € ist kein der Abgeltungsteuer unterliegender Kapitalertrag.
Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Erfasst sind alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind, so z.B. auch Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen, die Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals seien. Der klägerische Anspruch auf Nutzungsersatz ist bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch keine Vermögensmehrung aufgrund einer Kapitalüberlassung. Das Darlehensverhältnis und die Rückabwicklung sind als eine Einheit zu betrachten.
Danach verbleibt im Ergebnis eine (Zins)Belastung des Klägers. Der Nutzungsersatzanspruch ist ein der interessengerechten Rückabwicklung dienender Berechnungsposten. Steuerrechtlich entfaltet der Widerruf keine Rückwirkung. Er macht den in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalt in Form der Darlehensgewährung durch die Bank an den Kläger einerseits und die darauf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen des Klägers an die Bank andererseits nicht ungeschehen. Daher ist die Rechtsprechung zu Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Der Kläger hat keinen irgendwie gearteten Ertrag (Vermögensmehrung) aus dem rückabgewickelten Darlehensverhältnis erzielt. Die Rückabwicklung führte lediglich zu einer Minderung der vom Kläger geschuldeten Darlehenszinsen um rd. 10.000 € (rd. 27.000 € bis zum Widerruf gezahlte Zinsen - rd. 17.000 € Zinsbelastung nach Widerruf). Die Minderung der eigenen Zinslast des Klägers stellt keinen Kapitalertrag dar. Die Minderung der Zinsbelastung wirkt sich allenfalls dann einkommensteuerlich als negative Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben aus, wenn der Kläger die gezahlten Darlehenszinsen im Rahmen einer Einkunftsart zuvor einkommensmindernd abgezogen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat mit dem Darlehen seine selbstgenutzte Immobilie finanziert. Die Darlehenszinsen waren daher nicht abziehbare Aufwendungen der privaten Lebensführung.
FG Baden-Württemberg PM Nr. 3 vom 11.3.2021
Der nichtselbständig tätige Kläger schloss 2010 einen Darlehensvertrag mit einer Bank zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie mit einem jährlichen Zinssatz von 2,9 %. Der Kläger widerrief im Streitjahr 2016 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Eine Rückabwicklung folgte.
Im Anschluss ergab sich noch ein Zahlungsanspruch der Bank i.H.v. rd. 108.000 €. In der Darlehensabrechnung wurde zugunsten des Klägers eine "Verzinsung" i.H.v. rd. 19.000 € auf seine bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen berücksichtigt. Von diesem Betrag (Nutzungsersatzanspruch) behielt die Bank Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Das Finanzamt unterwarf den Nutzungsersatzanspruch ebenfalls der Kapitalertragsteuer.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. VIII R 5/21 geführt.
Die Gründe:
Der in der Darlehensabrechnung berücksichtigte Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz i.H.v. 19.000 € ist kein der Abgeltungsteuer unterliegender Kapitalertrag.
Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Erfasst sind alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind, so z.B. auch Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen, die Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals seien. Der klägerische Anspruch auf Nutzungsersatz ist bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch keine Vermögensmehrung aufgrund einer Kapitalüberlassung. Das Darlehensverhältnis und die Rückabwicklung sind als eine Einheit zu betrachten.
Danach verbleibt im Ergebnis eine (Zins)Belastung des Klägers. Der Nutzungsersatzanspruch ist ein der interessengerechten Rückabwicklung dienender Berechnungsposten. Steuerrechtlich entfaltet der Widerruf keine Rückwirkung. Er macht den in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalt in Form der Darlehensgewährung durch die Bank an den Kläger einerseits und die darauf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen des Klägers an die Bank andererseits nicht ungeschehen. Daher ist die Rechtsprechung zu Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Der Kläger hat keinen irgendwie gearteten Ertrag (Vermögensmehrung) aus dem rückabgewickelten Darlehensverhältnis erzielt. Die Rückabwicklung führte lediglich zu einer Minderung der vom Kläger geschuldeten Darlehenszinsen um rd. 10.000 € (rd. 27.000 € bis zum Widerruf gezahlte Zinsen - rd. 17.000 € Zinsbelastung nach Widerruf). Die Minderung der eigenen Zinslast des Klägers stellt keinen Kapitalertrag dar. Die Minderung der Zinsbelastung wirkt sich allenfalls dann einkommensteuerlich als negative Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben aus, wenn der Kläger die gezahlten Darlehenszinsen im Rahmen einer Einkunftsart zuvor einkommensmindernd abgezogen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat mit dem Darlehen seine selbstgenutzte Immobilie finanziert. Die Darlehenszinsen waren daher nicht abziehbare Aufwendungen der privaten Lebensführung.