Anwendbare Rechtsordnung bei Anspruch auf statusneutrale Klärung der biologischen Abstammung ist nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu ermitteln
BGH v. 10.7.2019 - XII ZB 33/18
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist deutscher Staatsbürger, der im März 1998 geborene Antragsgegner und seine Mutter haben die ungarische Staatsangehörigkeit und seit der Geburt des Sohnes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Ungarn. Der Antragsteller machte gegen seinen Sohn und dessen Mutter den Anspruch auf Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB geltend.
In Ungarn war bereits 2009 ein gerichtliches Verfahren durchgeführt worden, das die Vaterschaft des Antragstellers und seine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zum Gegenstand hatte. Mit Urteil des ungarischen Gerichts wurde die Vaterschaft des Antragstellers festgestellt. Seinen Antrag beim AG im März 2015 begründete er damit, dass das damalige Sachverständigengutachten erhebliche Mängel aufweise und weder den damaligen noch den heutigen wissenschaftlichen Standards entspreche.
Das AG gab dem Antrag statt. Auf Beschwerde der Antragsgegner wies das OLG den Antrag zurück. Die hiergegen eingelegte Revision des Antragstellers war vor dem BGH erfolgreich.
Die Gründe:
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf erneute Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Deutsches Recht, und damit der Anspruch nach § 1598a Abs. 1 Satz1 BGB, findet im vorliegenden Fall Anwendung. Die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich der Anspruch auf statusunabhängige Klärung der Abstammung richtet, unterfällt dem Abstammungsstatut des Art. 19 EGBGB. Dies ist streitig, da teilweise auch das Anfechtungsstatut des Art. 20 EGBGB für einschlägig gehalten wird. Sowohl Art. 19 EGBGB als auch Art. 20 EGBGB sind ihrem Regelungsgehalt nach darauf angelegt, die anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen, wenn es um die statusrechtliche Abstammung eines Kindes geht. Dabei normiert Art. 19 EGBGB, aus welchem Recht sich die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung ergibt, während Art. 20 EGBGB sich zum anwendbaren Recht für die Beseitigung derselben durch Anfechtung verhält.
Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Klärung der biologischen Abstammung ist allein auf die naturwissenschaftlich vermittelte Kenntniserlangung gerichtet und daher weder dem Anwendungsbereich des Art. 19 EGBGB noch dem des Art. 20 EGBGB unmittelbar zuzuordnen. Gleichwohl ist der Klärungsanspruch aufgrund bestehender planwidriger Regelungslücke und nach Interessenabwägung auf Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu stützen. Zwar kann die im Klärungsverfahren gewonnene Erkenntnis die Grundlage für ein nachfolgendes Anfechtungsverfahren darstellen. Jedoch wurde die isolierte Klärung gerade als Alternative zur Anfechtung geschaffen, die keine statusrechtlichen Auswirkungen haben soll.
Die Voraussetzungen des § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor. Der Anspruch setzt voraus, dass die leibliche Abstammung des Kindes nicht bereits durch ein Abstammungsgutachten geklärt ist. Nur ausnahmsweise kann ein Bedürfnis nach weiterer Klärung berechtigt sein. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die bereits erfolgte Begutachtung fehlerhaft durchgeführt worden und das vorliegende Abstammungsgutachten daher nicht geeignet ist oder wenn das frühere Gutachten lediglich zu einem Grad der Gewissheit geführt hat, der dem nach aktuellen wissenschaftlichen Standards zu erreichenden eindeutig unterlegen ist.
Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist die Annahme nicht gerechtfertigt, eine Klärung i.S.d. § 1598a BGB sei durch das im ungarischen Verfahren eingeholte Abstammungsgutachten erfolgt. Soweit der Antragsteller sich damals nicht sachverständiger Unterstützung bei der Überprüfung des Gutachtens bedient haben sollte, mag das mit Blick auf seine Verfahrensführung fahrlässig gewesen sein. Es führt aber nicht dazu, dass ein nachfolgendes statusneutrales Klärungsbegehren als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist.
Linkhinweis:
Den auf den Webseiten des Bundesgerichtshofs veröffentlichten Volltext des Beschlusses finden Sie hier.
BGH online
Der Antragsteller ist deutscher Staatsbürger, der im März 1998 geborene Antragsgegner und seine Mutter haben die ungarische Staatsangehörigkeit und seit der Geburt des Sohnes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Ungarn. Der Antragsteller machte gegen seinen Sohn und dessen Mutter den Anspruch auf Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB geltend.
In Ungarn war bereits 2009 ein gerichtliches Verfahren durchgeführt worden, das die Vaterschaft des Antragstellers und seine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zum Gegenstand hatte. Mit Urteil des ungarischen Gerichts wurde die Vaterschaft des Antragstellers festgestellt. Seinen Antrag beim AG im März 2015 begründete er damit, dass das damalige Sachverständigengutachten erhebliche Mängel aufweise und weder den damaligen noch den heutigen wissenschaftlichen Standards entspreche.
Das AG gab dem Antrag statt. Auf Beschwerde der Antragsgegner wies das OLG den Antrag zurück. Die hiergegen eingelegte Revision des Antragstellers war vor dem BGH erfolgreich.
Die Gründe:
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf erneute Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Deutsches Recht, und damit der Anspruch nach § 1598a Abs. 1 Satz1 BGB, findet im vorliegenden Fall Anwendung. Die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich der Anspruch auf statusunabhängige Klärung der Abstammung richtet, unterfällt dem Abstammungsstatut des Art. 19 EGBGB. Dies ist streitig, da teilweise auch das Anfechtungsstatut des Art. 20 EGBGB für einschlägig gehalten wird. Sowohl Art. 19 EGBGB als auch Art. 20 EGBGB sind ihrem Regelungsgehalt nach darauf angelegt, die anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen, wenn es um die statusrechtliche Abstammung eines Kindes geht. Dabei normiert Art. 19 EGBGB, aus welchem Recht sich die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung ergibt, während Art. 20 EGBGB sich zum anwendbaren Recht für die Beseitigung derselben durch Anfechtung verhält.
Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Klärung der biologischen Abstammung ist allein auf die naturwissenschaftlich vermittelte Kenntniserlangung gerichtet und daher weder dem Anwendungsbereich des Art. 19 EGBGB noch dem des Art. 20 EGBGB unmittelbar zuzuordnen. Gleichwohl ist der Klärungsanspruch aufgrund bestehender planwidriger Regelungslücke und nach Interessenabwägung auf Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu stützen. Zwar kann die im Klärungsverfahren gewonnene Erkenntnis die Grundlage für ein nachfolgendes Anfechtungsverfahren darstellen. Jedoch wurde die isolierte Klärung gerade als Alternative zur Anfechtung geschaffen, die keine statusrechtlichen Auswirkungen haben soll.
Die Voraussetzungen des § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor. Der Anspruch setzt voraus, dass die leibliche Abstammung des Kindes nicht bereits durch ein Abstammungsgutachten geklärt ist. Nur ausnahmsweise kann ein Bedürfnis nach weiterer Klärung berechtigt sein. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die bereits erfolgte Begutachtung fehlerhaft durchgeführt worden und das vorliegende Abstammungsgutachten daher nicht geeignet ist oder wenn das frühere Gutachten lediglich zu einem Grad der Gewissheit geführt hat, der dem nach aktuellen wissenschaftlichen Standards zu erreichenden eindeutig unterlegen ist.
Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist die Annahme nicht gerechtfertigt, eine Klärung i.S.d. § 1598a BGB sei durch das im ungarischen Verfahren eingeholte Abstammungsgutachten erfolgt. Soweit der Antragsteller sich damals nicht sachverständiger Unterstützung bei der Überprüfung des Gutachtens bedient haben sollte, mag das mit Blick auf seine Verfahrensführung fahrlässig gewesen sein. Es führt aber nicht dazu, dass ein nachfolgendes statusneutrales Klärungsbegehren als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist.
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Den auf den Webseiten des Bundesgerichtshofs veröffentlichten Volltext des Beschlusses finden Sie hier.