Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei Tätigkeit "für" Kapitalgesellschaft nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1b EStG
BFH 27.3.2018, VIII R 1/15Der Kläger war als Geschäftsführer der H-GmbH tätig. Diese war eine Tochtergesellschaft der B-GmbH. Zwischen der B-GmbH als Organträgerin und der H-GmbH bestand im Streitjahr 2009 eine ertragsteuerliche Organschaft. An der B-GmbH war der Steuerpflichtige zu 5,75 % beteiligt. Nach seinen Vereinbarungen mit weiteren Gesellschaftern der B-GmbH hatte er in den Jahren 2006 und 2007 drei Anteile an der B-GmbH mit unterschiedlichen Nominalbeträgen (4.250 €, 1.050 € und 450 €) erworben. Die Kaufpreise der Anteile entsprachen den Nominalbeträgen. Ferner übernahm er aufgrund einer Rahmenvereinbarung der Gesellschafter der B-GmbH neben einem Finanzinvestor und dessen Co-Investor sowie anderen natürlichen Personen als sog. "Management Investor" die Verpflichtung, zur Kapitalausstattung der B-GmbH Einzahlungen in deren Kapitalrücklage i.H.v. insgesamt 224.250 € zu leisten.
Die Kaufpreise der Anteile an der B-GmbH und die Einzahlungen in die Kapitalrücklage finanzierte der Kläger durch ein Darlehen i.H.v. 230.000 €. Die in diesem Zusammenhang angefallenen Schuldzinsen und Gebühren beantragte er in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr in Zeile 24 der Anlage KAP unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 (EStG zu 60 % als Verlust bei den tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln. Von seinen sonstigen Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen hatten, begehrte er den Abzug des Sparer-Pauschbetrages i.H.v. 801 €.
Das Finanzamt ließ den begehrten Werbungskostenabzug unberücksichtigt, da der Kläger als Arbeitnehmer nur für die H-GmbH tätig geworden sei, eine berufliche Tätigkeit für eine Tochtergesellschaft der B-GmbH jedoch nicht ausreichend sei. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Der Kläger kann die streitigen Aufwendungen gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 2 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 S. 1d, § 3 Nr. 40 S. 2, § 3c Abs. 2 S. 1 EStG zu 60 % bei seinen der Regelbesteuerung unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten abziehen.
Der Kläger war in seiner Funktion als Geschäftsführer der H-GmbH nach den Umständen des Streitfalls (auch) "für" die B-GmbH beruflich tätig. Zwar genügte seine Tätigkeit für die H-GmbH noch nicht aufgrund des Merkmals "mittelbar" in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG den Anforderungen an eine Tätigkeit (auch) "für" die B-GmbH. Das Merkmal "mittelbar" hat nur für die Ermittlung der Höhe der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft Bedeutung. Eine unmittelbare Beteiligung und eine zusätzliche mittelbare Beteiligung an dieser Kapitalgesellschaft sind für die Ermittlung der Beteiligungsgrenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1a und b EStG zusammenzurechnen. Jedoch erfasst § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1b EStG mit dem Merkmal "für diese" nicht nur berufliche Tätigkeiten, die auf einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen dem Gesellschafter und derjenigen Kapitalgesellschaft beruhen, an der die unmittelbare Beteiligung besteht und von der Kapitalerträge bezogen werden, für die ein Antrag gestellt werden soll.). "Für" eine Kapitalgesellschaft können auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die auf Ebene einer Tochtergesellschaft entfaltet werden, wenn diese Tätigkeit aufgrund besonderer Umstände in einem engen Zusammenhang zur Beteiligung an der Muttergesellschaft steht.
Denn es wird nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1b EStG vom Gesetz nicht verlangt, dass eine berufliche Tätigkeit "für" diejenige Kapitalgesellschaft, aus der die Kapitalerträge erzielt werden, auf Grundlage einer vertraglichen Beziehung zu eben dieser Kapitalgesellschaft ausgeübt werden muss. Insofern kann aus dem Normzweck der Vorschrift abgeleitet werden, dass bei besonderen Umständen auch Tätigkeiten auf Ebene einer anderen Kapitalgesellschaft als berufliche Tätigkeit für diejenige Kapitalgesellschaft zu qualifizieren sind, für deren Kapitalerträge der Antrag gestellt wird. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG soll für Gesellschafter, die sich "unternehmerisch" beteiligen, eine Überbesteuerung vermeiden, die ansonsten durch die Anwendung des Abzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG für Refinanzierungskosten des Beteiligungserwerbs eintreten kann. Angesichts dieser Notwendigkeit besteht gerade kein Bedürfnis für eine enge und typisierende Auslegung der Vorschrift.
Infolgedessen war ein enger Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers auf Ebene der H-GmbH und seiner Beteiligung an der Organträgergesellschaft B-GmbH anzunehmen und die Tätigkeit des Klägers konnte auch als Tätigkeit "für" die B-GmbH gewürdigt werden. Er war in seiner Funktion als Geschäftsführer der Organtochter H-GmbH für die Umsetzung der ihm aufgrund des Beherrschungsvertrags erteilten Weisungen der Organträgerin B-GmbH verantwortlich gewesen. Seine Tätigkeit auf Ebene der H-GmbH lag im besonderen wirtschaftlichen Interesse der Organträgerin B-GmbH, die als reine Holding tätig war und Einkünfte nur aus den Gewinnabführungen oder Ausschüttungen ihrer operativ tätigen Tochtergesellschaften erzielte. Die Tätigkeit des Klägers bei der H-GmbH wirkte sich somit direkt auf das Ergebnis der B-GmbH aus. Wegen dieser besonderen Umstände, insbesondere wegen des Beherrschungsvertrags innerhalb der Organschaft, bestand ein enger Zusammenhang zwischen der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der B-GmbH und seiner Tätigkeit auf Ebene der H-GmbH. Aus diesem Zusammenhang durfte das FG rechtlich die Schlussfolgerung ziehen, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen bei der H-GmbH sei auch als Tätigkeit "für" die B GmbH zu würdigen.
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