09.12.2019

Anwendung von durch den Gutachterausschuss ermittelten Liegenschaftszinssätzen

Durch den Gutachterausschuss ermittelte örtliche Liegenschaftszinssätze sind für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer geeignet, wenn der Gutachterausschuss bei der Ermittlung die an ihn gerichteten Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen eingehalten und die Liegenschaftszinssätze für einen Zeitraum berechnet hat, der den Bewertungsstichtag umfasst. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung nicht an.

BFH v. 18.9.2019, II R 13/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Miterben des 2014 verstorbenen Erblassers. Zum Nachlass gehörte ein 1973 mit einem Mietshaus bebautes Grundstück. Der Nettomietpreis betrug 5,35 €/qm und der Bodenrichtwert 220 €/qm. Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin (GA) hat Liegenschaftszinssätze 2012 für Mietwohnhäuser und Mietwohngeschäftshäuser mit einem gewerblichen Anteil bis 70 % beschlossen. Der Ermittlung der Liegenschaftszinssätze 2012 wurden Kaufverträge aus den Jahren 2007 bis 2011 mit unterschiedlichen Liegenschaftszinssätzen für 2007 und 2011 einerseits sowie 2008 bis 2010 andererseits zu Grunde gelegt.

Die Liegenschaftszinssätze 2015 für Mietwohnhäuser und Mietwohngeschäftshäuser mit einem gewerblichen Mietanteil bis 70 % und mindestens vier Mieteinheiten wurden durch den GA am 12.5.2015 beschlossen und am 5.6.2015 veröffentlicht. Sie wurden für das Jahr 2014 berechnet. Bei der Ableitung der Liegenschaftszinssätze 2012 und 2015 bestimmte der GA die Restnutzungsdauer der Gebäude nach den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf März 2014 für Zwecke der Erbschaftsteuer ermittelte das Finanzamt für das Grundstück im Ertragswertverfahren einen Grundbesitzwert von knapp 1,5 Mio. €. Dabei ging es von einem gesetzlichen Liegenschaftszinssatz von 5 % aus. Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen hatte die Finanzbehörden im Jahr 2014 angewiesen, bei Bedarfsbewertungen im Ertragswertverfahren nach den §§ 184 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht die vom GA herausgegebenen Liegenschaftszinssätze 2012, sondern die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 BewG anzuwenden.

Die Klage, mit denen die Kläger den Ansatz eines sich aus den Liegenschaftszinssätzen 2012 ergebenden, dort für Kaufverträge aus dem Jahr 2011, interpolierten Liegenschaftszinssatzes von 5,90 % beantragt hatten, blieb in allen Instanzen erfolglos.


Gründe:
Es waren die Liegenschaftszinssätze 2015 der Wertermittlung zu Grunde zu legen. Sie wurden für die zutreffende Grundstücksart - Mietwohngrundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 BewG - und das Jahr 2014, das den Bewertungsstichtag März 2014 umfasst, ermittelt. In der Tabelle 18 ist für die Baujahre ab 1970 und für den Bezirk , in dem das Grundstück der Kläger liegt, ausdrücklich angeführt, dass die Liegenschaftszinssätze für das Jahr 2014 und für Objekte ohne gewerblichen Mietanteil berechnet wurden. Sie sind nicht deshalb ungeeignet i.S.d. § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG, weil der GA die Restnutzungsdauer gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 ImmoWertV ermittelt hat.

Durch den Gutachterausschuss ermittelte örtliche Liegenschaftszinssätze sind für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer geeignet, wenn der Gutachterausschuss bei der Ermittlung die an ihn gerichteten Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen eingehalten und die Liegenschaftszinssätze für einen Zeitraum berechnet hat, der den Bewertungsstichtag umfasst. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung nicht an.

Das FG hatte im Streitfall einen Liegenschaftszinssatz von 3,98 % zu Grunde gelegt. Der im Verhältnis zu dem gesetzlichen Zinssatz von 5 % niedrigere Liegenschaftszinssatz führt zum Abzug eines geringeren Bodenwerts (vgl. § 185 Abs. 2 Satz 1 BewG) und deshalb zu einem höheren Gebäudeertragswert sowie einen höheren Grundbesitzwert. Eine Erhöhung des Grundbesitzwerts war im gerichtlichen Verfahren jedoch aufgrund des Verböserungsverbots nicht möglich.

 

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