11.02.2021

Arbeitslohn bei Übernahme der Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber

Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt und den die Rechtsanwältin zur Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO benötigt.
Die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.10.2020 - VI R 11/18
BFH v. 1.10.2020 - VI R 12/18

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 , EStG § 19 Abs 1 S 2 , BRAO § 12 Abs 2 , BRAO § 14 Abs 2 Nr. 9 , BRAO § 31a Abs 1 S 1 , BRAO § 51 Abs 1 S 1 , BRAO § 51 Abs 4

Steuerbarer Arbeitslohn liegt in der Regel auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer --wie im Streitfall-- Aufwendungen erstattet, die der Arbeitnehmer zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) tätigt. Dahingehender Barlohn (Werbungskostenersatz) ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen wie z.B. § 3 Nr. 30 EStG steuerfrei.

Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden.

Durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern hiernach erst recht nicht, wenn er ausschließlich gegenüber Dritten eigene Verpflichtungen eingeht und eigene Ansprüche erwirbt, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zu seinen Arbeitnehmern und den mit ihnen begründeten Dienstverhältnissen aufweisen. Daraus für die Arbeitnehmer folgende etwaige Annehmlichkeiten sind bloße Reflexwirkungen einer ausschließlich eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt. Bloße Reflexwirkungen der originär eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers führen nicht zu Arbeitslohn. Dies gilt auch, soweit sich der Versicherungsschutz des Arbeitgebers auf die zu ihm in einem Dienstverhältnis stehenden Personen erstreckt.

Im Streitfall VI R 11/18 hatte das FG zu Recht angenommen, dass die Übernahme der Beiträge für die Rechtsanwaltskammer, für die Mitgliedschaft im örtlichen Anwaltverein (und über diesen zugleich im DAV) sowie der Umlage zum besondere elektronischen Anwaltspostfach (beA) durch die Steuerpflichtige jeweils auch im eigenen Interesse der bei ihr angestellten Arbeitnehmerin erfolgte und deshalb Arbeitslohn vorlag.

Dem FG folgte der BFH jedoch insoweit nicht, als es auch die Übernahme der Beiträge für die eigene Berufshaftpflichtversicherung der Arbeitnehmerin in voller Höhe als Arbeitslohn angesehen hatte. Vielmehr gilt dies uneingeschränkt nur für die auf die gesetzliche Mindestdeckung entfallenden Prämienanteile.

Das FG hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob durch die Übernahme der Beiträge zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung der Arbeitnehmerin ausnahmsweise in vollem Umfang Arbeitslohn vorliegt, weil diese als Scheinsozia zu beurteilen ist. Die Rechtssache hat der BFH daher an das FG zurückverwiesen.

Sollte dieser Ausnahmefall nicht vorliegen, muss das FG die für den Versicherungsvertrag der R geschuldete Prämie aufteilen. Denn nur die Übernahme des auf die gesetzliche Mindestdeckung entfallenden Prämienanteils durch die Steuerpflichtige führt zu Arbeitslohn. Hinsichtlich der freiwilligen Höherversicherung wären die von der Arbeitnehmerin geschuldeten Prämienbeiträge fremdnützig zugunsten der Steuerpflichtigen. Insoweit würde die Übernahme nicht zu einem lohnsteuerpflichtigen Vorteil bei der Arbeitnehmerin führen.

Entsprechend hat der BFH im Streitfall VI R 12/18 entschieden, dass die Einbeziehung eines angestellten Rechtsanwalts in die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung einer Sozietät in Höhe des Prämienanteils, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt, zu Arbeitslohn führt, wenn der angestellte Rechtsanwalt erst durch den Einbezug in die Sozietätsversicherung seiner Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO genügt. Haftet der angestellte "Briefkopfanwalt" im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung, ist seine Einbeziehung in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz der Sozietät allein dieser aus versicherungsrechtlichen Gründen geschuldet. Der hierauf entfallende Prämienanteil führt daher nicht zu Arbeitslohn.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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