Ärzte dürfen für Honorarrückforderungen der Krankenkassen Rückstellungen bilden
BFH 5.11.2014, VIII R 13/12Bei der Klägerin handelte es sich um eine Gemeinschaftspraxis (GbR), die von zwei Ärzten betrieben wurde. Diese hatten in ihrem Jahresabschluss Rückstellungen für (ungewisse) Honorarrückforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gebildet, weil sie die Verschreibungsrichtgrößen pro Quartal um 216%, 198%, 169% und 195% überschritten hatten.
Das Finanzamt löste diese Rückstellungen gewinnerhöhend auf. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, im Streitjahr 2003 seien keine Umstände eingetreten, durch die eine Zahlungsverpflichtung konkretisiert worden wäre oder die die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme erhöht hätten. Zudem sei eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen.
Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Zu Unrecht hatte das FG das Recht der Klägerin auf Bildung und Beibehaltung einer Rückstellung für die Rückforderung von Honorarzahlungen durch die KÄV verneint und deshalb die Auflösung der Rückstellung durch das Finanzamt wie auch dessen Ablehnung einer weiteren Zuführung von 15.000 € zu dieser Rückstellung im Streitjahr 2003 bestätigt.
Nach dem SGB ist bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens für Verschreibungen um mehr als 25% nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss eine Rückforderung in Höhe des Mehraufwandes der Krankenkasse gesetzlich vorgegeben. Dieses Überschreiten der Richtgrößen hat die Wirkung eines Anscheinsbeweises für die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise, gegenüber dem sich die Ärzte hätten entlasten müssen. Dies genügt angesichts des eingeleiteten Prüfverfahrens, um eine Rückzahlungsverpflichtung als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, auch wenn der Inanspruchnahme ein strukturiertes Verfahren (Hinwirken auf eine Vereinbarung, förmliche Feststellung des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, Anhörung der betroffenen Ärzte) vorgeschaltet war.
Im Streitfall bestand somit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bilanzstichtags 30.6.2003 eine hinreichend konkretisierte Verbindlichkeit (Pflicht zur Honorarrückzahlung an die KÄV), weil
- zum einen durch § 106 Abs. 5a SGB V bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss eine Rückforderung in Höhe des Mehraufwandes der Krankenkasse gesetzlich vorgegeben war und
- die Kenntnis des Forderungsinhabers gegeben sowie die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin aufgrund der Mitteilungen und Schreiben der KÄV hinreichend konkretisiert war.
Die Klägerin musste aufgrund der vorgegebenen Richtgrößen der KÄV für die Arzneimittelverschreibung von einer erheblichen Überschreitung der Vorgaben in den vier Quartalen des Jahres 2002 (gerundet um 216%, 198%, 169% und 195%) ausgehen und durfte aus der maßgeblichen Sicht eines vorsichtigen Kaufmanns - in der ersichtlichen Annahme fehlender Rechtfertigungsgründe für die Überschreitung - mit der Einleitung eines Prüfverfahrens wegen Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 25% sowie mit einer Erstattungspflicht nach § 106 Abs. 5a S. 4 SGB V rechnen. Dem stand - wie oben bereits erwähnt - nicht entgegen, dass einer Inanspruchnahme der Klägerin ein strukturiertes Verfahren vorgeschaltet war.
Es konnte jedoch nicht abschließend entschieden werden, da das FG auf der Grundlage seiner abweichenden Rechtsauffassung nicht geprüft hatte, ob die im Streitfall zu bildende Rückstellung der Höhe nach zutreffend bemessen war. Dies muss im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden.
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