Auch nicht abgeführte Lohnsteuer kann angerechnet werden
FG Münster 24.4.2012, 6 K 1498/11 AODer Kläger hatte im Rahmen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung vereinbart. Der Arbeitgeber zahlte die Abfindung jedoch nicht in voller Höhe aus und fiel in Insolvenz. In der Steuerbescheinigung wies er den ausgezahlten Betrag sowie die auf die gesamte vereinbarte Abfindung entfallende Lohnsteuer aus, ohne den gesamten ausgewiesenen Betrag an das Finanzamt abgeführt zu haben.
Das Finanzamt unterwarf den ausbezahlten Betrag sowie die ausgewiesene Lohnsteuer als Arbeitslohn der Einkommensteuer. Es rechnete aber nur die rechnerisch auf diesen Bruttobetrag entfallende Lohnsteuer an und erließ auf Antrag des Klägers einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Der Kläger begehrte dagegen die Anrechnung der gesamten bescheinigten Lohnsteuer.
Das FG gab der der Klage statt. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache das Revisionsverfahren zugelassen. Es ist beim BFH unter dem Az. VII R 28/12 anhängig.
Die Gründe:
Gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG war der gesamte Betrag anzurechnen, da es sich um erhobene Abzugsbeträge handelte, die auf bei der Veranlagung erfasste Einkünfte entfielen.
Es bestand zwar keine Bindung an die in der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen Beträge, aber das beklagte Finanzamt hatte sich durch die Behandlung des höheren Lohnsteuerbetrags als steuerpflichtigen Vorteil im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auch hinsichtlich der Anrechnungsfrage festgelegt und gebunden. Unerheblich war infolgedessen, dass die Beträge nicht vollständig an das Finanzamt abgeführt wordenen waren. Der Kläger hatte mit der Duldung des Einbehalts der Lohnsteuerschuld und der entsprechenden Minderung des Arbeitslohns grundsätzlich seine Zahlungspflicht erfüllt.
Auch ein Vergleich der Interessenlagen dieses Streitfalles mit denen in den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen entschiedenen Anrechnungsfällen unter Einbeziehung der gesetzlichen Regelungen zum Lohnsteuerabzugsverfahren sprach für die hier bevorzugte Auslegung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Denn es handelte sich hier nicht um einen Schätzungsfall, in dem die in diesen Fällen vorgenommene Auslegung des Tatbestandsmerkmal "soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte... entfällt" auch dazu dient, eine missbräuchliche Ausnutzung der Anrechnungsregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei zu niedrig geschätzten, dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften zu verhindern.
Für eine volle Anrechnung sprach letztlich, dass hier eine Anmeldung zu Steuerabzugsbeträgen vom früheren Arbeitgeber auch nicht mehr korrigiert werden kann. Der ursprüngliche Rechtsgrund für die Zahlung durch den Arbeitgeber, der in der LSt-Anmeldung liegt, wird steuerrechtlich durch die ESt-Veranlagung ersetzt. Der Arbeitgeber könnte daher auch nicht mehr im Wege der Berichtigung der LSt-Anmeldung überzahlte Beträge zurückerhalten oder Bescheinigungen korrigieren, da die Berichtigungsmöglichkeit mit Ausstellung der LSt-Bescheinigung endet.
Da die Bedeutung und Ausgestaltung des Korrespondenzprinzips des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Streitfällen, denen insbesondere keine Schätzungen zugrunde liegen, noch nicht völlig geklärt sind, war die Revision zum BFH zuzulassen.
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