04.01.2016

Auch nicht genutzte Flugscheine unterliegen der Mehrwertsteuer

Flugscheine, die nicht benutzt wurden und für die keine Erstattung erfolgt, sind mehrwertsteuerpflichtig. Wenn ein Dritter die Flugscheine einer Fluggesellschaft im Rahmen eines Franchisevertrags vertreibt und an Letztere für ausgegebene und verfallene Flugscheine einen Pauschalbetrag zahlt, fällt auch auf diesen Pauschalbetrag Mehrwertsteuer an.

EuGH 23.12.2015, C-250/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Air France-KLM ist ein französisches Luftfahrtunternehmen. Von Air France-KLM in Frankreich durchgeführte Inlandsflüge unterliegen einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5,5 %. Seit dem Jahr 1999 führte Air France an den französischen Fiskus keine Mehrwertsteuer mehr auf den Verkaufserlös aus den Flugscheinen ab, die von den Fluggästen nicht benutzt wurden und für die keine Erstattung erfolgte. Da die Finanzverwaltung diese Flugscheine für mehrwertsteuerpflichtig ansah, erließ sie gegen Air France-KLM Nacherhebungsbescheide i.H.v. 4 Mio. € (ohne Verzugszinsen) für einen Zeitraum von drei Jahren.

Im gleichen Zeitraum erbrachte Brit Air (seit 2013: Hop!-Brit Air), eine Tochtergesellschaft von Air France, Beförderungsleistungen für Fluggäste im Rahmen eines mit Air France-KLM geschlossenen Franchisevertrags. Air France-KLM oblagen Vertrieb und Verwaltung der Flugscheine für die von Brit Air betriebenen Linien. Air France-KLM vereinnahmte den Preis der Flugscheine und leitete ihn für jeden von Brit Air beförderten Fluggast an diese weiter. Für verkaufte, aber nicht benutzte Flugscheine zahlte Air France-KLM jährlich einen pauschalen Ausgleich, der einem prozentualen Anteil von 2 % des auf den im Rahmen des Franchisevertrags betriebenen Linien erzielten Jahresumsatzes (einschließlich der Mehrwertsteuer) entsprach. Da Brit Air für diesen Pauschalbetrag keine Mehrwertsteuer abführte, erließ die Finanzverwaltung auch gegen sie Nacherhebungsbescheide.

Das in letzter Instanz mit den Rechtsstreitigkeiten zwischen Air France-KLM und Brit Air einerseits und der Finanzverwaltung andererseits befasste französische Gericht fragt den EuGH in diesem Zusammenhang im Wege des Vorabentscheidungsersuchens, ob Flugscheine, die nicht benutzt wurden, der Mehrwertsteuer unterliegen können.

Die Gründe:
Flugscheine, die nicht benutzt wurden und für die keine Erstattung erfolgt, sind mehrwertsteuerpflichtig.

Die Mehrwertsteuer fällt an, sobald zum einen der von dem Kunden an die Fluggesellschaft gezahlte Betrag unmittelbar mit einer Leistung (im vorliegenden Fall der Beförderung als Fluggast) verbunden ist und zum anderen die betreffende Leistung erbracht wird. Allerdings hängt die Gegenleistung für den beim Erwerb des Flugscheins entrichteten Preis nicht von der körperlichen Anwesenheit des Fluggastes an Bord ab, sondern besteht in dem sich daraus ergebenden Recht des Fluggastes, in den Genuss der Durchführung der Beförderungsleistung zu kommen, unabhängig davon, ob er dieses Recht wahrnimmt.

Das bedeutet, dass die Mehrwertsteuer bereits geschuldet wird, wenn die Fluggesellschaft den Fluggast in die Lage versetzt, die Beförderungsleistung in Anspruch zu nehmen. Der Mehrwertsteueranspruch entsteht also bereits mit der Vereinnahmung des Preises für den Flugschein. Im Übrigen gilt, dass dann, wenn ein Dritter (hier: Air France-KLM) die Flugscheine einer Fluggesellschaft (hier: Brit Air) im Rahmen eines Franchisevertrags vertreibt und an Letztere für ausgegebene und verfallene Flugscheine einen Pauschalbetrag zahlt, auch auf diesen Pauschalbetrag Mehrwertsteuer anfällt.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 153 vom 23.12.2015
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