20.07.2011

Auf Umlaufvermögen entfallende Schuldzinsen sind seit 1999 nach Überentnahmen nur beschränkt abziehbar

Die auf die Finanzierung von Umlaufvermögen entfallenden Schuldzinsen sind nicht ungekürzt abziehbar. Bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen des Wirtschaftsjahres 1998/1999 sind bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 S. 1 EStG Überentnahmen des Kalenderjahres 1998 nicht zu berücksichtigen.

BFH 23.3.2011, X R 28/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im November 1998 eine Apotheke und finanzierte den Kaufpreis fremd. Vom Gesamtkaufpreis entfielen 150.000 DM auf den Erwerb des Warenlagers. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn nach einem zum 31. Januar des jeweiligen Jahres endenden Wirtschaftsjahr. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger nach einem zum 31. Januar des jeweiligen Jahres endenden Wirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG).

In den Jahren 2002 bis 2006 reichte der Kläger Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung beim Finanzamt für die Streitjahre 2000 bis 2004 ein. Den Bilanzunterlagen für die in den Jahren 2000 und 2001 endenden Wirtschaftsjahre waren jeweils Aufstellungen mit der Überschrift "Abzugsbeschränkung für betriebliche Schuldzinsen" beigefügt, nach denen die als Betriebsausgaben in Abzug gebrachten Zinsaufwendungen - mit Ausnahme der Kontokorrentzinsen - ausschließlich auf die Finanzierung des Anlagevermögens entfallen waren. Darlehensverträge legte der Kläger nicht vor. Das Finanzamt forderte diese auch nicht an.

Die erstmaligen Feststellungsbescheide für die Streitjahre ergingen erklärungsgemäß und - bis auf den Bescheid für 2000 - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung beim Kläger wurde im Prüfungsbericht ausgeführt, die erklärten Gewinne seien um die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen zu erhöhen, da Darlehen i.H.v. 150.000 DM die Finanzierung von Umlaufvermögen beträfen. Das Finanzamt folgte den Feststellungen und erließ geänderte Feststellungsbescheide für die Streitjahre.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Zu Recht ist das FG zwar davon ausgegangen, dass die auf den Erwerb des Umlaufvermögens entfallenden Schuldzinsen nicht ungekürzt als Betriebsausgaben abziehbar sind. Es hat jedoch versäumt zu klären, ob bzw. in welcher Höhe das Finanzamt bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG auch Überentnahmen des Wirtschaftsjahres 1998/ 1999 berücksichtigt hat. Soweit solche auf das Kalenderjahr 1998 entfallen, dürfen sie aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 S. 1 EStG bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht berücksichtigt werden.

Nach § 4 Abs. 4a EStG ist seit 1999 der betriebliche Schuldzinsenabzug beschränkt, soweit der Unternehmer sog. "Überentnahmen" tätigt, also über das eingelegte Kapital und bisherige Gewinne hinausgehende Beträge für private Zwecke verwendet. Ausgenommen von dieser Abzugsbeschränkung sind die Zinsen für Investitionskredite in Zusammenhang mit der Anschaffung bzw. Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Mit der Regelung soll die Verlagerung von privat veranlassten Zinsen in den betrieblichen Bereich verhindert werden.

Dieser Abzugsbeschränkung ist im Grundsatz rechtmäßig. Die für Zinsen auf das Anlagevermögen geltende Ausnahme erstreckt sich nicht auf den Zinsaufwand, der auf ein bei Betriebseröffnung angeschafftes Warenlager entfällt. Begünstigt sind nur Aufwendungen für betriebliche Investitionen, die dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Allerdings dürfen aus Gründen des Vertrauensschutzes vor dem 1.1.1999 getätigte Überentnahmen nicht in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen einbezogen werden. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache daher an das FG zurückzuverweisen.

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BFH PM Nr. 54 vom 20.7.2011
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