22.04.2016

Aufhebung der Beiordnung eines Notanwalts bei tiefgreifender Störung des Vertrauensverhältnisses

Es steht dem Zweck des Vertretungszwangs in einem Verfahren vor einem obersten Bundesgericht entgegen, den Rechtsanwalt Weisungen seines Mandanten zur Abfassung von Schriftsätzen zu unterwerfen, weil der Vertretungszwang der Stärkung der Rechtspflege durch Vermeidung unzulässiger und unsachgerecht geführter Verfahren dienen soll. Die "Diskussionen" über Honorarforderungen sind für sich genommen noch kein wichtiger Grund für die Aufhebung einer Beiordnung.

BFH 9.3.2016, IV S 2/16
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und war den heutigen Klägern für ein Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision als Notanwalt gem. § 155 FGO i.V.m. § 78b ZPO beigeordnet worden. Die nach Bevollmächtigung durch die Kläger vom Antragsteller eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die Revision wurde zugelassen. Dennoch beantragte der Rechtsanwalt kurz darauf beim BFH seine Beiordnung gem. § 48 Abs. 2 BRAO aus wichtigem Grund aufzuheben. Der Antragsteller sah sich an einer Vertretung der Kläger gehindert, weil aufgrund eines sachlich nicht gerechtfertigten und mutwilligen Verhaltens der Kläger weder deren Beratung noch Vertretung sachgerecht möglich sei.

Bereits im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde hätten die Kläger an den Schriftsätzen "herumgenörgelt" und aus anwaltlicher Sicht nicht angezeigte Ergänzungen verlangt. Vor der jetzt anstehenden Revisionsbegründung hätten sie erneut angekündigt, dass die Schriftsätze nach ihren Vorstellungen zu fertigen seien und hätten sofortige Vorlage des Entwurfs zum Zweck der Überarbeitung gefordert. Außerdem habe es Diskussionen über Vorschussrechnungen gegeben. Insgesamt sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Klägern und ihm, dem Antragsteller, so nachhaltig gestört, dass ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung vorliege. Zur Glaubhaftmachung seiner Darstellung legte der Antragsteller Kopien des E-Mail-Verkehrs mit den Klägern vor.

Der BFH lehnte den Antrag jedoch ab.

Gründe:
Der stattgefundene Schriftwechsel stellte noch keinen wichtigen Grund dar, der die Aufhebung der Beiordnung rechtfertigen könnte.

Angesichts des strengen Maßstabs, der an die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.d. § 48 Abs. 2 BRAO anzulegen ist, war nach dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers und der Kläger noch nicht von einer so tiefgreifenden Störung des Vertrauensverhältnisses auszugehen, dass dem Antragsteller ein Tätigwerden für die Kläger nicht mehr zugemutet werden kann. Allerdings ist das Vertrauensverhältnis durch das Verhalten der Kläger bereits so erkennbar erschüttert, dass bei weiteren Störungen das Stadium eines wichtigen Grundes für die Aufhebung der Beiordnung erreicht werden kann.

Zwar haben die Kläger dem Antragsteller noch keine Weisungen zur inhaltlichen Abfassung der Revisionsbegründung erteilt. Ihre Aufforderung, die Begründung umgehend zur Billigung vorgelegt zu bekommen, weist allerdings schon in diese Richtung. Eine derartige Weisung könnte den Antragsteller zu einem neuerlichen Antrag auf Aufhebung der Beiordnung veranlassen, dem dann ggf. zu entsprechen wäre. Denn es steht dem Zweck des Vertretungszwangs in einem Verfahren vor einem obersten Bundesgericht entgegen, den Rechtsanwalt Weisungen seines Mandanten zur Abfassung von Schriftsätzen zu unterwerfen, weil der Vertretungszwang der Stärkung der Rechtspflege durch Vermeidung unzulässiger und unsachgerecht geführter Verfahren dienen soll.

Auch die "Diskussionen" über Honorarforderungen sind für sich genommen noch kein wichtiger Grund für die Aufhebung einer Beiordnung. Sollten im weiteren Verfahren weitere von den Klägern zu vertretende Umstände auftreten, die die Aufhebung der Beiordnung nach sich ziehen würden, wäre den Klägern kein anderer Notanwalt beizuordnen. Denn wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört wurde und dies die Entpflichtung des Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursachte, besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts; ein solches Verlangen ist dann vielmehr rechtsmissbräuchlich.

Linkhinweis:

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