Aufwendungen für heterologe künstliche Befruchtung in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft als außergewöhnliche Belastung
BFH 5.10.2017, VI R 47/15Die Klägerin lebte im Streitjahr (2011) in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Eine eingetragene Partnerschaft bestand zu dieser Zeit noch nicht. Aufgrund einer primären Sterilität (Unfruchtbarkeit) konnte die Klägerin ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Aus diesem Grund ließ sie sich ab dem Jahr 2010 durch verschiedene medizinische Maßnahmen behandeln, um eine Schwangerschaft herbeizuführen.
Im Streitjahr ließ die Klägerin in einer Klinik in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders durchführen. Die dänische Klinik unterlag der Kontrolle der dänischen Gesundheitsbehörden. Vor und nach der Behandlung nahm die Klägerin Medikamente ein. Durch die Behandlung entstanden ihr Kosten i.H.v. von insgesamt rd. 8.500 €, die die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Die Aufwendungen setzen sich zusammen aus Kosten für von den behandelnden Ärzten rezeptierte Medikamente (1.600 €), die Durchführung der IVF in der Klinik (5.800 €) sowie für Fahrt- und Übernachtungskosten in Dänemark (1.100 €).
Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die Berücksichtigung der Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Krankheitskosten komme nicht in Betracht, weil die Maßnahme nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG hat die von der Klägerin in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung getragenen Aufwendungen zu Unrecht nicht als zwangsläufig i.S.v. § 33 EStG beurteilt.
Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation führen als Krankheitskosten zu einer außergewöhnlichen Belastung. Dem steht nicht entgegen, dass die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Aufwendungen einer empfängnisunfähigen, in einer festen bzw. festgefügten Partnerschaft lebenden Frau - und damit ohne Rücksicht auf ihren Familienstand - für Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung durch IVF können BFH als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein.
Die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung muss mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang stehen. Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung führen daher nur zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn sie in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden. Dies ist vorliegend zu bejahen, da die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen mehrerer Bundesländer der bei der Klägerin vorgenommenen Kinderwunschbehandlung nicht entgegenstanden.
Zudem ist hier von einer Zwangslage zur Umgehung einer vorhandenen Sterilität auszugehen. Diese kann auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht verneint werden. Entsprechend sind die von der Klägerin getragenen Kosten für die künstliche Befruchtung i.H.v. 8.500 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Infolgedessen kommt auch eine Aufteilung der Krankheitskosten nicht in Betracht. Die Aufwendungen dienten dazu, die Fertilitätsstörung der Klägerin auszugleichen, und waren als insgesamt - einschließlich der auf die Bereitstellung und Aufbereitung des Spendersamens entfallenden Kosten - auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden. Die Behandlung ist insoweit ebenso wie eine heterologe Insemination als untrennbare Einheit zu sehen.
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