Ausnahme von der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 23 EStG bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
BFH 27.6.2017, IX R 37/16Die Klägerin und ihr Bruder hatten im März 1998 von ihrem Vater ein bebautes Grundstück zu jeweils hälftigem Miteigentum erworben. Sie vermieteten die Immobilie anschließend an den Vater. Das Mietverhältnis endete mit Ablauf des Monats November 2004. Danach nutzte die Klägerin die Immobilie selbst. Im Juni 2006 erwarb sie von ihrem Bruder dessen hälftigen Miteigentumsanteil hinzu. Im September 2006 veräußerte die Klägerin das Objekt.
Während das Finanzamt hierin einen nach § 23 EStG steuerpflichtigen Vorgang sah und einen entsprechenden Veräußerungsgewinn der Besteuerung unterwarf, machte die Klägerin geltend, aufgrund der vor Veräußerung stattgefundenen Eigennutzung sei der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG erfüllt.
Das FG wies die Klage ab und entschied, dass eine Eigennutzung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Steuerpflichtige im Streitjahr ihren Hauptwohnsitz an einem anderen Ort innegehabt habe und es sich bei dem Objekt um eine Zweitwohnung gehandelt habe, die sie lediglich für Ferienaufenthalte genutzt habe. Der Gesetzgeber habe mit § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG jedoch nur beruflich genutzte Wohnungen begünstigen wollen. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Gründe:
Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG (Nutzung zu eigenen Wohnzwecken) verneint.
Der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S.d. Gesetzes setzt lediglich voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.
Ein Gebäude wird jedoch auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält.
§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 1. Alt. EStG setzt voraus, dass die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 2. Alt. EStG verlangt demgegenüber eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren. Im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung muss daher die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben. Es genügt vielmehr ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie - mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs - voll auszufüllen.
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