27.02.2018

Ausschluss des Kindergeldanspruchs nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG verstößt nicht gegen das GG

§ 32 Abs. 4 S. 2 u. 3 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Mit den in § 32 Abs. 4 EStG enthaltenen Regelungen will der Gesetzgeber Eltern volljähriger Kinder (nur) in "typischen Unterhaltssituationen" entlasten. Ferner darf der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gesetze, vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden.

FG Münster 17.1.2018, 3 K 2555/17 Kg
Der Sachverhalt:
Der 1991 geborene Sohn des Klägers bestand im Juni 2013 die Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Grundwehrdienst oder Zivildienst leistete er nicht. Ab Juli 2013 nahm er vielmehr in seinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Die Beschäftigung endete im Herbst 2016.

Von November 2015 bis Februar 2017 nahm der Sohn des Klägers bei dem Studienwerk der Steuerberater in NRW e.V. an einem Vorbereitungslehrgang auf die Steuerfachwirtprüfung 2016/2017 teil. Der Lehrgang bestand aus Präsenzterminen, welche in der Regel wöchentlich am Samstag von 08:00 bis 15:00 Uhr stattfanden. Vom 7.11. bis 19.11.2016 besuchte er zudem einen Intensivlehrgang, der von montags bis samstags Unterrichtseinheiten und Probeklausuren vorsah. Die Prüfung zum Steuerfachwirt bestand er im März 2017.

Seit Januar 2017 war der Sohn des Klägers bei einer GmbH mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Im April 2017 beantragte der Kläger die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld ab Juli 2013. Zur Begründung führte er an, mit der Ausbildung zum Steuerfachangestellten habe sein Sohn noch keine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG abgeschlossen, da die sich anschließende Weiterqualifizierung zum Steuerfachwirt in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Ausbildung stünde. Zudem beabsichtige er, die Steuerberaterprüfung abzulegen. Die von ihm aufgenommene Erwerbstätigkeit stünde daher einem Kindergeldanspruch nicht entgegen.

Die Familienkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Sohn des Klägers habe bereits mit der Ausbildung zum Steuerfachangestellten eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Die sich anschließende Weiterqualifizierung sei nicht Teil einer einheitlichen Erstausbildung, da sie eine Berufstätigkeit voraussetze. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Kindergeldfestsetzung. Die Familienkasse war zu Recht davon ausgegangen, dass der Sohn des Klägers mit der Ausbildung zum Steuerfachangestellten eine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG abgeschlossen hat.

Da ein Kindergeldanspruch jedenfalls nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ausgeschlossen ist, kann dahinstehen, ob der Sohn des Klägers vor Aufnahme des Vorbereitungslehrgangs überhaupt einen Tatbestand nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG erfüllt hat. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob er in diesem Zeitraum als ausbildungssuchend i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG angesehen werden kann, weil er mit Blick darauf, dass er die Prüfung zum Steuerfachwirt erst nach einer mindestens dreijährigen Berufstätigkeit ablegen konnte, vorher sinnvollerweise mit dem Vorbereitungslehrgang nicht beginnen konnte.

§ 32 Abs. 4 S. 2 u. 3 EStG verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn mit den in § 32 Abs. 4 EStG enthaltenen Regelungen will der Gesetzgeber Eltern volljähriger Kinder (nur) in "typischen Unterhaltssituationen" entlasten. Ferner darf der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gesetze, vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden (BVerfG, Beschl. v. 31.5.1988, 1 BvR 520/83). Demnach kann ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht darin gesehen werden, dass Eltern von erwerbstätigen Kindern im Verhältnis zu Eltern von nicht erwerbstätigen Kindern benachteiligt werden. Denn es entspricht gerade dem - nicht zu beanstandenden - gesetzgeberischen Zweck, Eltern in "typischen Unterhaltssituationen" zu unterstützen. Eine solche Situation besteht aber gerade bei Eltern von erwerbstätigen Kindern nicht.

Entgegen einiger Literaturstimmen kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht darin gesehen werden, dass eine Erwerbstätigkeit nur bei Kindern in der Zweitausbildung - anders als bei Kindern in der Erstausbildung - schädlich ist. Nach der Gesetzesbegründung besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, und damit nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Vermutung gilt durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt. Für die Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitausbildung besteht demnach ein sachlicher Grund.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Zur gleichen Problematik sind unter den Az.: III R 18/17, V R 13/17 und XI R 25/17 bereits Revisionsverfahren beim BFH anhängig.

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