03.09.2019

Außergewöhnliche Belastungen? Prozesskosten einer sog. Kapazitätsklage zur Erlangung eines Studienplatzes

Die für den Sohn übernommenen Prozesskosten einer sog. Kapazitätsklage zur Erlangung eines Studienplatzes sind nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG abzugsfähig. Bei den Gerichts- und Rechtsanwaltskosten handelt es sich um Aufwendungen für eine Berufsausbildung i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG. Zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung gehören auch vorab entstandene Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen zu dem Zweck getätigt werden, dem Kind die von ihm gewünschte Art der Berufsausbildung zu ermöglichen.

FG Münster v. 13.8.2019 - 2 K 3783/18 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2009. Im Oktober 2010 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2009 fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte nachträglich Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zusätzlich als außergewöhnliche Belastung im Rahmen von § 33 EStG zu berücksichtigen. Ihr Sohn sei durch die ZVS nicht zum Medizinstudium zugelassen worden, weil einige Universitäten ihre Ausbildungskapazitäten nicht vollständig im gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgeschöpft hätten. Es sei daher erforderlich gewesen, sog. Kapazitätsklagen zu führen. Die für diese Verfahren zu zahlenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten beliefen sich auf rd. 13.000 €.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die von der Klägerin getragenen Berufsausbildungskosten schlössen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG aus. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen würden in erster Linie durch den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld sowie den Sonderbedarfsfreibetrag steuerlich entlastet. Höhere Kosten aufgrund der Führung eines Prozesses müssten zur optimalen Gestaltung des Studienplatzwunsches in Kauf genommen werden.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht die geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten i.H.v. rd. 13.000 € nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt.


Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für eine etwaige Berufsausbildung einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird die Einkommensteuer dagegen nach § 33a Abs. 1 EStG auf Antrag ermäßigt. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige gem. § 33a Abs. 4 EStG wegen der Aufwendungen für eine etwaige Berufsausbildung eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht in Anspruch nehmen.

Bei den geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten handelt es sich um Aufwendungen für eine Berufsausbildung. Eine Berufsausbildung i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG ist jede ernstlich betriebene Vorbereitung auf einen künftigen Beruf. Zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung gehören auch vorab entstandene Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen zu dem Zweck getätigt werden, dem Kind die von ihm gewünschte Art der Berufsausbildung zu ermöglichen. Das Kind der Klägerin strebte ein Medizinstudium an. Die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten für die Studienplatzklagen trug die Klägerin, damit ihr Sohn im Losverfahren einen Studienplatz für Medizin zugewiesen bekommt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei den geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten um typische Aufwendungen für die Berufsausbildung. Die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung und ihrer Vorbereitung entstehenden Kosten sind aufgrund der verschiedenen Ausbildungsgänge und den häufig begrenzten Möglichkeiten ihrer Verwirklichung vielfältiger Art. Erhöhte Kosten können bei allen Ausbildungsgängen entstehen, denen ein besonderes Bewerbungs- oder Auswahlverfahren vorgeschaltet ist, oder immer dann, wenn die Ausbildung zu dem gewählten Beruf nur in einem weit entfernten Ort, möglicherweise im Ausland, in Betracht kommt. Von Kosten dieser Art sind die durch die Zulassungsbeschränkungen in bestimmten Studienfächern verursachten erhöhten Aufwendungen nicht völlig verschieden, sodass sie von der Typisierung und Pauschalierung in § 33a EStG mitumfasst sind. Darüber hinaus spricht das von der Klägerin gerügte anhaltende Fehlverhalten der Universitäten gerade dafür, dass es sich bei den Kosten für eine Kapazitätsklage um typische Aufwendungen für die Berufsausbildung handelt.

Der Klägerin ist auch nicht darin zu folgen, dass in § 33a Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr 2009 gültigen Fassung ausdrücklich lediglich in den Fällen der Absätze 1 und 2 des § 33a EStG die Inanspruchnahme einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG ausgeschlossen wird. Vielmehr kann der Steuerpflichtige nach dem Wortlaut der Norm für die in den Absätzen 1 und 2 des § 33a EStG bezeichneten Aufwendungen, hier die Aufwendungen für die Berufsausbildung in Gestalt der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten für die Kapazitätsklagen, keine Steuerermäßigung nach § 33 EStG in Anspruch nehmen.

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