09.11.2016

Aussetzung des Verfahrens bei Remonstration des Finanzamtes

Die Aussetzung des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht, wenn das Verwaltungsverfahren, von dessen Ausgang die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, abgeschlossen ist. Remonstriert das Finanzamt gegen die Bescheinigung der zuständigen Behörde über das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 7h Abs. 2 S. 1 EStG, führt dies weder zur Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens noch wird dadurch ein neues Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, über das die zuständige Behörde förmlich zu entscheiden hat.

BFH 6.10.2016, IX B 81/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten 1999 eine vom Bauträger noch zu errichtende Eigentumswohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses erworben. Das Grundstück befindet sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet. Die Wohnung wurde im September 2000 fertiggestellt. Kurz darauf bescheinigte die zuständige Behörde gegenüber dem Bauträger für das Gesamtgrundstück die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.v. § 177 BauGB sowie die bis zur Antragstellung dafür angefallenen Aufwendungen. Das Finanzamt erließ 2002 einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2000 bis 2010 für das Gesamtobjekt. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Außenprüfung beim Bauträger war die Prüferin der Ansicht, es handele es sich bei der von den Klägern erworbenen Wohnung um einen bautechnischen Neubau, für den die Förderung nach § 7h EStG nicht in Betracht komme. Das Finanzamt änderte daraufhin den Feststellungsbescheid zu Lasten der Kläger. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren zogen die Kläger vor das FG, das über das Verfahren noch nicht entschieden hat. Das Verfahren ruhte zunächst mit Zustimmung beider Beteiligter bis zur Entscheidung des BFH in dem Revisionsverfahren Az.: X R 15/13.

Nachdem das BFH-Urteil vom 22.10.2014 veröffentlicht war, brachten die Kläger eine objektbezogene Bescheinigung der zuständigen Behörde bei, in der auf die Wohnung entfallende anteilige Modernisierungsaufwendungen bescheinigt waren. Dagegen remonstrierte das Finanzamt bei der zuständigen Behörde und beantragte die Aussetzung des Klageverfahrens. Am 16.11.2015 teilte die Behörde dem Finanzamt mit, dass kein Grund bestehe, die erteilte Bescheinigung in Zweifel zu ziehen. Außerdem seien die Bauakten bereits vernichtet.

Durch Beschluss vom 17.6.2016 hat das FG das Verfahren bis zur Entscheidung der zuständigen Behörde über das vom Finanzamt eingeleitete Remonstrationsverfahren gegen die Bescheinigung ausgesetzt. Nachdem das FG der hiergegen gerichteten Beschwerde nicht abgeholfen hatte, hob der BFH den Beschluss des FG auf.

Gründe:
Die Voraussetzungen zur Aussetzung der Verhandlung gem. § 74 FGO lagen im Streitfall nicht vor.

Die Aussetzung des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht, wenn das Verwaltungsverfahren, von dessen Ausgang die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, abgeschlossen ist. Das ist etwa der Fall, wenn die zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren, in dem das vorgreifliche Rechtsverhältnis festzustellen ist, durch bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt abgeschlossen hat. Remonstriert das Finanzamt gegen die Bescheinigung der zuständigen Behörde über das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 7h Abs. 2 S. 1 EStG, führt dies weder zur Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens noch wird dadurch ein neues Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, über das die zuständige Behörde förmlich zu entscheiden hat. Bei Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG hat das BFH sein eigenes Ermessen auszuüben.

Der Senat sah keine hinreichende Aussicht dafür, dass die zuständige Behörde ihre Bescheinigung zurücknehmen oder ändern wird. Die Behörde hatte dies abgelehnt und u.a. darauf verwiesen, dass die Akten bereits vernichtet seien, so dass der Sachverhalt nicht mehr neu beurteilt werden könne. Im Übrigen ging es in der Sache um eine inhaltliche Differenz. Das Finanzamt meinte, die am Dachgeschoss ausgeführten Baumaßnahmen führten zu einem bautechnischen Neubau. Die zuständige Behörde argumentierte dagegen, das Gebäude sei im Krieg beschädigt und mit einem Notdach versehen worden.

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