Bagatellgrenze für die Abfärbewirkung von geringfügigen gewerblichen Einkünften
BFH 27.8.2014, VIII R 6/12 u.a.Die Klägerin ist eine aus sieben Rechtsanwälten bestehende GbR, die auch auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig ist. Einer der Gesellschafter wurde in den Streitjahren 2003 und 2004 regelmäßig zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter (31 und 20 Bestellungen) oder Treuhänder (19 und 21 Bestellungen) bestellt. In diesen Jahren beschäftigte die Klägerin zudem drei angestellte Rechtsanwälte sowie sieben weitere angestellte Bürokräfte. Außerdem beauftragte sie in geringem Umfang einen Unternehmensberater und eine Bilanzbuchhalterin als Subunternehmer.
Einer der angestellten Rechtsanwälte wurde in den Streitjahren jeweils 25 bzw. 38 Mal selbst zum Treuhänder oder (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt. Darüber hinaus nahm er Prozesstermine in Mandatsangelegenheiten wahr. Die beiden anderen angestellten Rechtsanwälte bereiteten dagegen Klagen für den Forderungseinzug vor und nahmen Gerichtstermine wahr. Die aus der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter und Treuhänder in den Streitjahren erzielten Einnahmen der Klägerin beliefen sich auf 15.358 € im Jahr 2003 und 21.065 € im Jahr 2004.
Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG und behandelte ihre Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit i.S.v. § 18 EStG. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, die Klägerin habe nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerbliche Einkünfte erzielt, da sie nach den Kriterien der Vervielfältigungstheorie im Bereich der Insolvenzverwaltung nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfülle. Es stellte deshalb einen Gewinne aus Gewerbebetrieb fest und erließ erstmalig Gewerbesteuermessbetragsbescheide.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes bkieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verneint, so dass die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit nicht zu gewerblichen Einkünften umzuqualifizieren waren.
Zwar waren im vorliegenden Fall die von dem angestellten Rechtsanwalt aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Treuhänder erzielten Umsätze als gewerbliche Einkünfte der GbR zu werten, da die Gesellschafter insoweit nicht mehr - wie es § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG verlangt - aufgrund eigener Fachkenntnisse selbst leitend und eigenverantwortlich tätig waren. Die "Abfärbung" dieser gewerblichen Einkünfte auf die übrigen Einkünfte der GbR nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG war jedoch unverhältnismäßig und musste deshalb abgelehnt werden.
Da das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm gerade auch im Hinblick auf die dazu ergangene einschränkende BFH-Rechtsprechung bejaht hat (BVerfG-Beschl. v. 15.1.2008, Az.: 1 BvL 2/04), ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Danach führt eine gewerbliche Tätigkeit dann nicht zu einer Umqualifizierung der freiberuflichen Einkünfte, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Umfang handelt. Infolgedessen haben gewerbliche Umsätze einen äußerst geringen Umfang, wenn sie 3 % der Gesamtnettoumsätze der GbR und den Betrag von 24.500 € nicht übersteigen. Als Orientierung dient dabei der gewerbesteuerliche Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG. Infolgedessen hatten die gewerblichen Nettoumsätze im vorliegenden Fall von 15.358 € (1,81% der Nettogesamtumsätze) in 2003 und 21.065 € (2,68% der Nettogesamtumsätze) in 2004 die Grenzen nicht überschritten.
Hintergrund:
Mit zwei weiteren Urteilen vom gleichen Tag hat der VIII. Senat ebenfalls die Anwendbarkeit der Abfärbewirkung anhand dieser Bagatellgrenze geprüft:
Im Verfahren Az.: VIII R 16/11 hat der BFH die Umqualifizierung der künstlerischen Tätigkeit einer GbR in gewerbliche Einkünfte verneint, weil die gewerblichen Umsätze weniger als 3 % der Gesamtnettoumsätze betrugen und unterhalb von 24.500 € lagen. Im Verfahren Az.: VIII R 41/11 hat der BFH hingegen die Umqualifizierung der freiberuflichen Einkünfte einer GbR in gewerbliche Einkünfte bejaht, weil die erzielten gewerblichen Umsätze die Grenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze in den Streitjahren überschritten hatten.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 6/12 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
- Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 16/11 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
- Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 41/11 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.