12.11.2020

Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit

Die Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG ist wirtschaftlich unzumutbar i.S.v. § 150 Abs. 8 Sätze 1 und 2 AO, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG steht.

BFH v. 16.6.2020 - VIII R 29/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit 2006 selbständiger Physiotherapeut. Mitarbeiter und Praxis-/ Büroräume hatte er nicht, ebenso wenig einen Internetzugang.

Bis einschließlich 2016 veranlagte das Finanzamt den Kläger auf der Grundlage der handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke zur Einkommensteuer. Für das Streitjahr 2017 forderte es den Kläger mehrfach erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und setzte daraufhin ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest. Den Antrag des Klägers, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, lehnte das Finanzamt ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt, verpflichtete das Finanzamt, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten, und hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch aus § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO hat, im Streitjahr von der elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung befreit zu werden.

Gem. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG muss die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Da der Kläger im Streitjahr nur rd. 14.500 € aus seiner selbständigen Arbeit erzielt hat, war hier von einer einem Kleinstbetrieb vergleichbaren Situation auszugehen. Die elektronische Erklärungsabgabe konnte daher nicht rechtmäßig angeordnet werden und so auch das Zwangsgeld zu ihrer Durchsetzung keinen Bestand haben.
BFH PM Nr. 53 vom 12.11.2020
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