Beginn der Festsetzungsfrist bei Schenkung mehrerer Gegenstände
BFH 26.7.2017, II R 21/16Der Kläger hatte - neben seinen beiden Schwestern - mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 5.11.2002 von seiner Mutter Eigentumsanteile von jeweils 1/3 am Grundbesitz sowie an zwei Eigentumswohnungen gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs erhalten. In der Schenkungsteuerakte befindet sich eine Veräußerungsanzeige des Notars in Bezug auf den Grundbesitz vom 7.11.2002 sowie eine Anlage zur Veräußerungsanzeige, in der der Übertragungsvertrag erwähnt wird. In der Veräußerungsanzeige war angegeben, dass der Grundbesitz aufgrund von Schenkung an Verwandte in gerader Linie gemäß anliegender Liste übertragen worden sei, der Tag der Übergabe der 5.11.2002 gewesen sei und der von den Parteien zu Grunde gelegte Wert des Grundbesitzes 575.000 € sowie der Wert des Nießbrauchs 38.000 € betragen hätten. In der Anlage zur Veräußerungsanzeige waren der Kläger und seine beiden Schwestern als Erwerber namentlich mit der jeweiligen Wohnadresse bezeichnet sowie die Höhe des Erwerbs mit jeweils 1/3 angegeben.
Die Mutter verstarb im Dezember 2009. Im Oktober 2011 reichte der Kläger eine Erbschaftsteuererklärung ein und erklärte den gesamten im Jahr 2002 durch Schenkung erworbenen Grundbesitz unter Angabe der drei Erwerber als Vorerwerb. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.11.2012 für die Zuwendungen vom 5.11.2002 gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest. Mit Änderungsbescheid wurde der Grundbesitz nicht mehr für die Schenkungsteuer berücksichtigt und die Steuer entsprechend auf 61.388 € herabgesetzt. Der Kläger wandte sich gegen die Besteuerung des übrigen Grundbesitzes. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Schenkungsteuer für den Erwerb aufgrund des Übertragungsvertrags sei - mit Ausnahme der auf den Erwerb des Grundbesitzes entfallenden Steuer - noch nicht festsetzungsverjährt gewesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zutreffend erkannt, dass der mit dem Erlass der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide geltend gemachte Steueranspruch für den Erwerb des übrigen Grundbesitzes noch nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen war und deshalb zu Recht festgesetzt worden war.
Nach der für die Schenkungsteuer getroffenen Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eingetreten ist. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung festlegt. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.
§ 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO verlangt nach seinem Wortlaut positive Kenntnis des Finanzamtes von der vollzogenen Schenkung. Positive Kenntnis in diesem Sinn ist gegeben, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht durch Anzeige gem. § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten, Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat. Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht. Hinsichtlich einer mittelbaren Schenkung erlangt die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO dient der Sicherung des Steueranspruchs und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Finanzbehörde von Schenkungen regelmäßig erst spät - meist anlässlich des Todes des Schenkers - Kenntnis erlangt.
Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das Finanzamt aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände. Denn die nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO für den Anlauf der Festsetzungsfrist erforderliche Kenntnis des Finanzamtes von der vollzogenen Schenkung bezieht sich in einem solchen Fall nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Schenkung eines jeden einzelnen dieser Vermögensgegenstände.
Da die Vorschrift die Kenntnis des Finanzamtes von der vollzogenen Schenkung voraussetzt, beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände daher nicht deshalb zu laufen, weil das Finanzamt die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Ermittlungen Kenntnis von der gesamten freigebigen Zuwendung zu erlangen. Ob die Behörde durch das Unterlassen solcher Ermittlungen gegen seine gem. § 88 Abs. 1 AO bestehende Verpflichtung verstoßen hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, ist in diesem Zusammenhang daher nicht entscheidungserheblich.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.