Begünstigtes Betriebsvermögen i.S.d. Erbschaftsteuer: Überschreitung der Grenze der Vermögensverwaltung bei der Vermietung von Wohnungen
FG Münster v. 29.4.2020 - 3 V 605/20 FStreitig war die Frage, ob die Vermietungstätigkeit einer KG, deren Anteile von Todes wegen übertragen wurden, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb iSd § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG darstellte.
Die KG gehörte zum Firmenverbund der Familie S., der mehrere Hundert Mietwohnungen innehat und verwaltet. Die KG selbst hatte zum Feststellungszeitpunkt auf vier Grundstücken in C-Stadt etwa 40 Mietwohnungen zzgl. Garagen. Sie beschäftigte zum maßgeblichen Zeitpunkt keine eigenen Arbeitnehmer. Zur Firmengruppe gehörte u.a. die S-GbR. Der überwiegende Teil der Wohnungen dieses Firmenverbundes befand sich im Eigentum der S-GbR. Diese hatte im Jahr 2012 50 Arbeitnehmer, der erfasste Lohnaufwand betrug über 540.000 €. Die S-GbR verwaltete die Wohnungen der KG und führte hierzu gehörende Nebentätigkeiten aus.
Im Bewertungsverfahren wurde angenommen, dass das Vermögen der KG nicht als begünstigtes Vermögen iSd § 13a ErbStG anzusehen sei. Die zum Betriebsvermögen der KG gehörenden Grundstücke zählten zum Verwaltungsvermögen, da der Hauptzweck des Betriebes keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erforderte.
Im Einspruchsverfahren legte die KG dar, nach dem Gesellschaftsvertrag sei ihr Hauptzweck die Vermietung von Wohneinheiten. Dieser Unternehmensgegenstand bringe eine Vielzahl von Tätigkeiten mit sich, welche den Einsatz von Personal und umfangreiche Verwaltungstätigkeiten zur Folge hätten. Die Verwaltung der Wohnungen sowie Nebentätigkeiten wie z.B. Hausreinigung, Hausmeistertätigkeiten und Winterdienste sowie kleinere Handwerkerleistungen würden durch die S. GbR durchgeführt und der KG in Rechnung gestellt. Im Einzelnen handele es sich folgende Tätigkeiten:
- Erstellung der Mietverträge durch das eigene Personal,
- Einstellen von Mietinseraten für zu vermietende Wohnungen in Zeitungen und Internetportalen,
- Übergabe der Wohnungen bei Ein- und Auszug,
- Erstellung der Übergabeprotokolle und Abnahme der Wohnungen durch die entsprechenden Mitarbeiter,
- Einzug der Mietzahlungen und Kontrolle der Zahlungseingänge,
- Erstellung der jährlichen Betriebskostenabrechnungen für die einzelnen Mietparteien,
- Wartungsarbeiten an und in den Vermietungsobjekten selbst durch das eigene Personal (z.B. Treppenhausreinigung, Winterdienst, Gartenarbeiten, kleinere Reparaturen),
- Besichtigungstermine bei Neuvermietungen,
- Besichtigungen der Wohneinheiten bei Mängeln oder Instandhaltungsarbeiten,
- Koordinierung der Instandhaltungsarbeiten,
- umfangreiche Führung der Geschäftsbücher auf Grund der Abgrenzungen der Mietzahlungen von Betriebskostenvorauszahlungen.
Auf Grund des Umfangs dieser Tätigkeiten sei ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nach § 14 AO zwingend notwendig gewesen.
Die Antragsteller beantragen - nach Klageerhebung und Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung - sinngemäß u.a., den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer von der Vollziehung auszusetzen. Das FG hat den Antrag abgelehnt.
Die Gründe:
Der Antrag ist unbegründet. Nach § 69 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Antragsgegner hat bei summarischer Prüfung zu Recht die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gemäß § 13b Abs. 2a ErbStG iVm § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ErbStG festgestellt. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb iSd § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG liegt nicht vor.
Die KG vermietete zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt ihre Wohnungen nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern es lag eine private Vermögensverwaltung vor. Weder hat die KG selbst noch die S-GbR für die KG gegenüber den Mietern Sonderleistungen erbracht, die zu einem originär gewerblichen Charakter der Vermietung führen würden. Die von den Antragstellern im Einzelnen benannten Tätigkeiten bewegten sich sämtlich im Rahmen einer üblichen Vermietungstätigkeit, die die Grenze der bloßen Vermögensverwaltung nicht überschritt. Auf den zeitlichen und organisatorischen Umfang dieser Tätigkeiten kommt es nach der Rechtsprechung des BFH (insbesondere dem BFH-Urteil v. 24.10.2017 - II R 44/15) ebenso wenig an wie auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen.
Nicht zu folgen ist der Auffassung der Antragsteller, nach der sich die Erforderlichkeit eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes aus einer Gesamtbetrachtung ergeben soll, die neben der KG weitere Gesellschaften aus dem Firmenverbund der Familie S. mit einbezieht.
Erstens ist eine solche Gesamtbetrachtung im Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG nicht vorgesehen und findet auch in der Gesetzessystematik keine Stütze.
Zweitens wären - selbst wenn man entgegen der vorstehenden Ausführungen eine solche Gesamtbetrachtung vornehmen würde - keine anderen Kriterien zur Abgrenzung zwischen einer vermögensverwaltenden und einer gewerblichen Tätigkeit heranzuziehen als die bereits geschilderten Kriterien, die der BFH anwendet und denen der erkennende Senat folgt. Nach dem Vortrag der Antragsteller sind jedoch auch bei einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung weiterer Einheiten der Firmengruppe S. keine ins Gewicht fallende Tätigkeiten gegenüber den Mietern erbracht worden, die über typische Vermietungstätigkeiten hinausgehen. Selbst wenn man von einem Wohnungsbestand von ca. 700 in der gesamten Firmengruppe ausgehen würde, würde diese Anzahl nicht dazu führen, dass deren Vermietung als gewerblich zu klassifizieren wäre. R E 13b. 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011, nach der das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes regelmäßíg anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält, ist eine Verwaltungsvorschrift, die die Gerichte nicht bindet (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 - GrS 1/15). Für die vorzunehmende Abgrenzung kommt es, wie bereits dargestellt, bei einer Vermietungstätigkeit nicht auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen, sondern darauf an, ob in der Sache eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird.
Da es im Streitfall bereits an der Erforderlichkeit eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes mangelt, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung zu der Frage, ob ein solcher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb direkt bei dem Betrieb vorliegen muss, welcher übertragen wird bzw. an dem eine Beteiligung oder Anteile übertragen werden.