Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein als Vorsorgeaufwendungen
Kurzbesprechung
BFH v. 12.8.2020 - X R 12/19
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a u. b, § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 13
Voraussetzung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen ist neben der Zahlung entsprechender Beiträge u.a., dass sie an bestimmte Versorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Im Streitfall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Selbst wenn der Verein, an den die Vorsorgeaufwendungen geleistet wurden, als "Versicherungsunternehmen" anzusehen sein sollte, würde ein Sonderausgabenabzug voraussetzen, dass dieses Unternehmen das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. bb). Gemäß § 8 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bedürfen Versicherungsunternehmen zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Da dem Verein weder eine solche Erlaubnis erteilt war noch die Voraussetzungen etwaiger Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht erfüllt waren, durfte er das Versicherungsgeschäft im Inland nicht betreiben.
Die Auffassung des FG, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG beschränke sich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raums, ist rechtsfehlerhaft. Nach der genannten Regelung werden Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gewährt.
Aus dem Wortlaut dieser Regelung folgt kein Ausschluss solcher Einrichtungen, die ihren Sitz im EU-/EWR-Raum haben. Im Gegenteil lässt die Bezugnahme gerade auf Normen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts erkennen, dass auch deutsche Einrichtungen erfasst sind. In Übereinstimmung damit kann die anderweitige Absicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen. Danach kommt es für die Abziehbarkeit der von der Steuerpflichtigen an den Verein geleisteten Beiträge in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob der Verein als Einrichtung anzusehen ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewährt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG) und ob auf die Leistungen des Vereins ein Anspruch besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG). Hierzu hatte das FG keine Feststellungen getroffen, was im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden muss.
Allerdings hatte das FG ausgeführt, dass die Steuerpflichtige in den Streitjahren gegen den Verein einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Krankheitsfall über dem sozialhilfegleichen Versorgungsniveau gehabt haben "mag". Diese Vermutung muss noch durch Auslegung der Satzung des Vereins erhärtet werden. Insoweit enthält die Satzung Formulierungen, aus denen sich ein Rechtsanspruch ergeben könnte, allerdings auch solche, woraus man entnehmen könnte, dass es sich bei dem Verein um eine Einrichtung handelt, die ihren Mitgliedern keinen Rechtsanspruch gewährt.
Darüber hinaus muss das FG sich in rechtlicher Hinsicht nochmals vertieft mit seiner angedeuteten Auffassung befassen, der von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG vorausgesetzte "Anspruch" auf die Leistungen erfordere, dass ein solcher Anspruch auch mit Wirkung für die Zukunft nicht ohne Einverständnis des Mitglieds bzw. Versicherten beseitigt werden kann.
Hinsichtlich der Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG hat das FG ausgeführt, der Verein sei nicht als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung anzusehen, die in dem Klammerzusatz der genannten Norm als "soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung" definiert werde. Gegen diese Würdigung hatte die Steuerpflichtige im Revisionsverfahren keine Einwendungen erhoben. Ihr steht es aber frei, solche Einwendungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a u. b, § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 13
Voraussetzung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen ist neben der Zahlung entsprechender Beiträge u.a., dass sie an bestimmte Versorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Im Streitfall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Selbst wenn der Verein, an den die Vorsorgeaufwendungen geleistet wurden, als "Versicherungsunternehmen" anzusehen sein sollte, würde ein Sonderausgabenabzug voraussetzen, dass dieses Unternehmen das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. bb). Gemäß § 8 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bedürfen Versicherungsunternehmen zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Da dem Verein weder eine solche Erlaubnis erteilt war noch die Voraussetzungen etwaiger Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht erfüllt waren, durfte er das Versicherungsgeschäft im Inland nicht betreiben.
Die Auffassung des FG, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG beschränke sich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raums, ist rechtsfehlerhaft. Nach der genannten Regelung werden Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gewährt.
Aus dem Wortlaut dieser Regelung folgt kein Ausschluss solcher Einrichtungen, die ihren Sitz im EU-/EWR-Raum haben. Im Gegenteil lässt die Bezugnahme gerade auf Normen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts erkennen, dass auch deutsche Einrichtungen erfasst sind. In Übereinstimmung damit kann die anderweitige Absicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen. Danach kommt es für die Abziehbarkeit der von der Steuerpflichtigen an den Verein geleisteten Beiträge in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob der Verein als Einrichtung anzusehen ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewährt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG) und ob auf die Leistungen des Vereins ein Anspruch besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG). Hierzu hatte das FG keine Feststellungen getroffen, was im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden muss.
Allerdings hatte das FG ausgeführt, dass die Steuerpflichtige in den Streitjahren gegen den Verein einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Krankheitsfall über dem sozialhilfegleichen Versorgungsniveau gehabt haben "mag". Diese Vermutung muss noch durch Auslegung der Satzung des Vereins erhärtet werden. Insoweit enthält die Satzung Formulierungen, aus denen sich ein Rechtsanspruch ergeben könnte, allerdings auch solche, woraus man entnehmen könnte, dass es sich bei dem Verein um eine Einrichtung handelt, die ihren Mitgliedern keinen Rechtsanspruch gewährt.
Darüber hinaus muss das FG sich in rechtlicher Hinsicht nochmals vertieft mit seiner angedeuteten Auffassung befassen, der von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG vorausgesetzte "Anspruch" auf die Leistungen erfordere, dass ein solcher Anspruch auch mit Wirkung für die Zukunft nicht ohne Einverständnis des Mitglieds bzw. Versicherten beseitigt werden kann.
Hinsichtlich der Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG hat das FG ausgeführt, der Verein sei nicht als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung anzusehen, die in dem Klammerzusatz der genannten Norm als "soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung" definiert werde. Gegen diese Würdigung hatte die Steuerpflichtige im Revisionsverfahren keine Einwendungen erhoben. Ihr steht es aber frei, solche Einwendungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.